Kunst: Neue Prüfungskultur - geht das?
Shownotes
Die sinnvolle Integration von Feedback sowie die Förderung kreativer, kooperativer Arbeitsweisen sind wichtig für jede Lehrkraft, die den Kunstunterricht zukunftsfähig gestalten möchte. Neue Prüfungsformate, sollten auch kollaboratives Arbeiten berücksichtigen.
Hintergrundinformationen, Unterrichtsbeispiele und vielfältige Materialien dazu findest Du in der Ausgabe 479/80 "Bild Kunst KI", erschienen im Friedrich-Verlag.
In diesem Podcast hörst Du Tom Kleynen (Kunstlehrer, Autor und Herausgeberin der Ausgabe "Vernetzt lernen und leisten" der Fachzeitschrift KUNST+UNTERRICHT) und Lars Zumbansen (Kunstlehrer, stellvertretender Schulleiter, Autor und Herausgeber der Fachzeitschrift KUNST+UNTERRICHT).
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00:00:00: Einfach unterrichten, der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrich-Verlag. Wir bringen
00:00:09: innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt. Wir starten hiermit in der Podcastreihe
00:00:18: "Einfach unterrichten vom Friedrich-Verlag" mit einer neuen Folge, die sich bezieht auf
00:00:24: einen Themenheft für die Kunst und Unterricht, nämlich das Themenheft "Vernetz, Lern und Leisten".
00:00:29: Dieses Themenheft durfte ich zusammen herausgeben mit meinem Kollegen Tom Klein. Ich stelle mich
00:00:36: einfach mal vor und dann kannst du das im Nachgang tun, lieber Tom. Mein Name ist Lastin Bansen,
00:00:42: wie gesagt, ich bin mit Herausgeber der Kunst und Unterricht und auch stellvertretender Schulleiter
00:00:46: an einem Gymnasium in Ost-Westfalen und natürlich auch Kunstlehrer und dieses Themenheft "Vernetz,
00:00:54: Lern und Leisten" liegt mir sehr am Herzen, weil die Etablierung einer veränderten Prüfungskultur
00:00:59: glaube ich nicht nur unser Fach betrifft, sondern das Schulsystem als solches. Aber bevor wir gleich
00:01:04: dazu kommen, lieber Tom, vielleicht machst du dich einmal kurz selbst vorstellen. Ja, hallo auch von mir,
00:01:10: mein Name ist Tom Klein. Ich bin Lehrerin der Gesamtschulen Herz und Grad, bin in der Ehe von Aachen.
00:01:14: Ich bin Abgeordneter Lehrer an der Uni in Aachen und ich mache auch Fortbildungen für die Bezugsregelungen.
00:01:20: Das heißt, du hast auch verschiedene Ebenen, die du miteinander verbindest und ich denke,
00:01:26: das Thema Prüfung auf allen Ebenen hat irgendwie Relevanz betrifft auch Studierende,
00:01:30: Lehramtsanwärter natürlich gerade, auch in der zweiten Phase, aber natürlich auch Schülerinnen
00:01:37: und Schüler. Und die soll es heute vor allem gehen. Und ja, wir wollen in das Thema einfach mal einführen
00:01:42: mit so einem Eingangesbild. Ich glaube, das macht es vielleicht ganz plastisch. Wenn man sich unsere
00:01:47: meritokratische Leistungskultur einmal anguckt und das ist es ja, in der wir uns bewegen, wo wir
00:01:52: quasi jedem Schüler individuelle Leistungen attestieren, in dem Fall aktuell in dem aktuellen
00:02:00: System mit Noten. So können wir uns eigentlich dieses Leistungsprinzip so vorstellen, als wenn wir
00:02:07: Publikum in einem Stadion sind, in dem ein Marathonlauf stattfindet und wir bejubeln die
00:02:14: Athleten. Wir können auch von Schülern sprechen, die in der Stadion kommen und dort ihre letzten
00:02:18: Runden drehen. Wir blenden dabei aber, wenn man so will, systematisch aus, wie die Athleten und
00:02:25: Schüler überhaupt in dieses Stadion gekommen sind. Denn vielleicht wurden einige mit dem SUV
00:02:30: direkt vor den Eingang gefahren von ihren Eltern. Andere mussten aber zu Fuß kommen und haben vielleicht
00:02:35: sogar noch ihren kleinen Bruder auf dem Rücken im Huckepack. Diese Metapher zeigt vielleicht etwas
00:02:44: auf, was ja die OECD auch bescheinigt hat, dass in Deutschland das Schulsystem sehr stark vom
00:02:49: Elternhaus abhängig ist. Wir tun immer so, als wenn Leistung etwas Individuelles ist,
00:02:53: aber blenden wir systematisch aus, dass diese Leistung häufig einen sehr sozialen Hintergrund
00:02:59: hat. Und wir wollen uns gerade in diesem Themenheft und auch mit den Podcasts,
00:03:05: eigentlich mit dieser sozialen Dimension von Leistung auch beschäftigen. Und dazu passt auch
00:03:10: diese erste These, die wir mitgebracht haben, Trennung von Lernen und Leisten gilt es zu
00:03:17: revidieren. Und vielleicht, lieber Tom, magst du einmal mit dieser ersten These starten?
00:03:23: Ja, sehr gerne. Da habe ich auch ein schönes Bild zu. Also stell ihn mal vor, du hast eine Firma,
00:03:27: beispielsweise für Fensterscheiben und möchtest, dass hier noch besser funktioniert. Und dann
00:03:31: machst du eine große Evaluation, heuerst z.B. in Beratungsunternehmen an und findest dann
00:03:35: tatsächlich heraus, welche Prozesse die wo verbessern ließen und so weiter. Aber starten
00:03:39: diese Verbesserungen vorzunehmen, stellst du in der Folge einfach keine Fenster mehr her,
00:03:43: sondern produzierst jetzt Autoreifen. Und dann hätte man sich, denke ich, die Evaluation auch
00:03:47: sparen können. Das klingt ein bisschen abwegig, aber in so einer Logik wird oftmals in der
00:03:52: Schule Prüfungen gemacht, also Leistungserhebungen durchgeführt. Also man schreibt eine Arbeit
00:03:58: und danach kommt das nächste Thema. Und dann müssen wir mit den Sprachen der Bildungswissenschaften
00:04:02: zu sagen ein formatives Assessment, also individuelles Feedback für den weitesteren Lernprozess,
00:04:07: dass der Förderung dieb und das während des Lernprozesses stattfindet ist ledig gewinnbringer
00:04:11: als ein summatives Assessment, dass der der abschließenden Bewertung dieb. Und in der
00:04:15: Schule bekommen, da ist Schüler ganz oft meiner Meinung nach den Eindruck, dass es eigentlich um
00:04:19: Können geht und eigentlich ums Lernen wirklich. Und wie schnell und wie gründlich jemand etwas
00:04:25: gelernt hat, etc. erscheint bald weniger wichtig als die Performance, die ich in der Prüfung
00:04:30: Situation oder im Unterricht zeige. Und das dann auch egal, was ich vorher schon wusste und konnte.
00:04:35: Insofern ist das Leisten oder Prüfungssituationen oftmals blind für individuelle Prozesse und
00:04:40: für soziale Eingewundenheit des Denkens und Könns oder analog zu den sociologischen
00:04:44: pädagogischen Kritik am Leistungsbegriff hat das Ricken genannt Ausdruck einer individuellen
00:04:49: Urheberschaft. Und das wird auch in der Kunst langsam für die Erosion des Autonomie Konzepts,
00:04:55: praktiziert und diskutiert. Also beispielsweise sprach Bason Rock in der Rezension der Dokumenta
00:05:00: 15 vom Ende der westlichen Kunstkonzepts mit der Formel Autorität durch Autorenschaft. Also
00:05:06: der Ausgangspunkt allerdings für die Trennung von Lernen und Leistungsaufgaben war eigentlich eine
00:05:10: sinnvolle Forderung. Also die Überlegung Lernaufgaben von Leistungsaufgaben zu trennen, damit die
00:05:16: Schüler nämlich und Schülerinnen natürlich in den Lernaufgaben keine Angst vor Fehler mehr haben,
00:05:20: also ausprobieren können und so weiter. Ja aber ist das nicht genau eigentlich ein Verlagerung des
00:05:25: Problems sage ich jetzt mal. So gut das ja gemeint ist quasi eine positive Fehlerkultur zuzulassen
00:05:31: in Lernprozessen. Sie dann aber umso strenger, leicht in sogenannten Leistungssituationen dann
00:05:38: eben nicht zuzulassen und da auch genau hinzugucken. Also verlagert das nicht mehr oder weniger diese
00:05:46: Angst vor Fehler nur in diese Phasen der punktuellen Leistungserbringung, also sprich in Klausuren,
00:05:52: in Klassenarbeiten wie auch immer. Ja nach Ken Robison ist das der Hauptgrund,
00:05:58: weshalb Schule Kreativität tötet. Er hat so einen schönen Ted Talk gemacht,
00:06:01: wo er das sehr präzise auf den Punkt bringt. Also in dem Schule einfach Fehler fokussiert und
00:06:06: sanktioniert wird Kreativität getötet und das hat natürlich einen negativen Folgen. Also wenn
00:06:11: ich Leistungsaufgaben von Lernaufgaben trenne, dann werden die Leistungsaufgaben natürlich
00:06:16: automatisch in irgendeiner Form aufgebaut, wenn sie von den Lernaufgaben entkoppelt werden.
00:06:20: Die stehen dann ganz schnell für so künstliche Gebilde am Ende, bei denen man keinen Fehler
00:06:24: mehr machen darf und ich denke, das ist das falsche Signal. Also auf der einen Seite, also hier,
00:06:28: das nichtwertende Rumspielen oder die Fehler-Toleranz, welche überschwitzt das jetzt mal und dort auf
00:06:34: der anderen Seite ist das ernste Damoclast-Schwert der Prüfung, wo keine Fehler gemacht werden dürfen.
00:06:38: Und allein diese Prüfung zählt dann am Ende während die Lernphase, das eigentlich nicht
00:06:42: tut. Ich denke, man sollte auch bei der Bewältigung und dem Herangehen von Lernaufgaben mit in eine
00:06:49: Bewertung einfließen lassen, da hier wertgeschätzt werden kann, inwiefern jemand sich hier sich
00:06:54: getraut hat oder ausprobiert hat. Und ich denke mal, das ist einfach wichtig, dass man einfach
00:06:58: einen Schreitern auf, vor allem künstlichen Richtern wertschätzen kann. Natürlich ist
00:07:02: keine Dauerkontrolle sinnvoll und auch nicht noch nicht zielführend, aber es müsste positiv
00:07:07: einfließen, denke ich, wenn Schülerinnen und Schüler Lernaufgaben positiv bewältigen,
00:07:10: also riesigen Eingehen, neue Wege suchen und finden und so weiter, sollte also ein begleitetes,
00:07:16: unterstütztes, formatives Assessment für den Lerneffekt geben und nicht allein ein summatives,
00:07:21: also Prüfung am Ende. Und ich denke vor allem muss es eine positive Fehlerkultur gegeben,
00:07:27: die dann in irgendeiner Form und Grund zu durchgelebt werden muss.
00:07:29: Ja, und diese positive Fehlerkultur kann ja auch dann gerade sozial grundiert werden.
00:07:34: Also du hast es gerade gesagt, die Angst vor Prüfungen entsteht ja vor allen Dingen auch
00:07:37: deshalb, weil wir immer von isolierten Prüfungen ausgehen, die jemand alleine zu bewältigen
00:07:42: hat, im Idealfall in räumlicher Trennung zu anderem. Und das ist ja auch ein Konzept
00:07:49: und wo wir sagen, wir wollen da Impulse setzen, die auch andere Beispiele zeigen, wo es eben
00:07:56: auch möglich ist, gerade Leistung eben nicht nur als individuelles, ja, wenn man so will,
00:08:04: als Signifikat einer Person oder als Attribut einer Person zuzuschreiben, sondern eben sozial
00:08:10: zugrundieren. Da ist das wäre quasi unsere zweite These, dass wir sagen, wir wollen eben
00:08:15: auch kollaboratives Arbeiten fördern. Und lieber Tom, auch da haben wir im Heft so ein paar Beispiele.
00:08:22: Vielleicht kannst du uns mal da mitnehmen und uns eins vielleicht vorstellen.
00:08:26: Genau, ich habe im Heft ein Beispiel, in dem eine soziale Vernetzung, also ein kollaboratives
00:08:30: Arbeiten stattbildender, die Schülerinnen und Schüler überlegen in kleinen Gruppen,
00:08:33: wie sie mithilfe von Augmented Reality Apps vorgefunden ist, in künstlicher Weise kommentieren
00:08:38: oder ergänzen. Neben den herkömmlichen Aspekten, wie der kollaborativen Ideengenese, das machen
00:08:44: ja schon ganz, ganz viele und wird auch ganz viel gemacht, mit der arbeitszeitigen Durchführung
00:08:49: und der Absprachen, haben die Schülerinnen und Schüler dann ihre Werke virtuell beispielsweise
00:08:53: durch ein QR-Code vor Ort hinterlassen. Alle konnten sich die Werke dann vor Ort auch
00:08:58: ansehen und auch kommentieren. Und dieses Kommentieren wiederum konnte dann auch durch Dritte
00:09:03: gemacht werden, also durch Leute, die einfach Passanten, die die vorbeigegen und diesen QR-Code
00:09:07: dann gescannt haben. Und das war wiederum ein guter Anregungspunkt für weitere Reflektionen und so
00:09:13: weiter. Und man konnte mit Betrachten dann einfach in den Austausch treten. Ein weiterer Punkt war hier,
00:09:18: das waren die simultanen Absprachen mit möglichen Bewertungskriterien. Also sprich,
00:09:23: das bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler über diese mitbestimmt haben und
00:09:28: sie immer wieder zur Diskussion standen. Wir haben also kollaborativ Kriterien aufgestellt und
00:09:33: immer wieder zur Diskussion gestellt und auch verworfen und konkretisiert und so weiter. Und sowohl
00:09:37: den Schülerinnen und Schüler auch klar, wie sie diese Kriterien erreichen können und auch,
00:09:41: wie die Bedingungen bewertet werden können. Was ja auch spannend ist, man also Kritiker sagen immer,
00:09:47: dass Kollaboration quasi den Einzelnen oder dass der Einzelne untergeht quasi dann in der Gruppe.
00:09:52: Dabei ist das ja gar nicht so. Also der Einzelne profitiert ja auch geradezu eigentlich von
00:09:57: Kollaboration. Genau. Es gibt dann ein totalstellungs Konzept von es schon ein bisschen älter. Ich
00:10:02: finde es immer noch sehr aktuell ist von Wiegotski. Der nannte das die Zonen der nächsten
00:10:07: Entwicklung oder anders formuliert. Kollaborativ ist mehr als die Summe der einzelnen Teile. Das
00:10:12: bedeutet, dass ich in der Kollaboration viel mehr erreichen kann, als ich alleine in der Lage
00:10:16: werde, bei gleichsam die Zonen meiner Möglichkeiten, dass die Zonen meiner nächsten Entwicklung durch
00:10:21: andere wiederum ausgedehnt werden kann. Und dadurch kann ich mich erst bilden oder vielleicht ein
00:10:26: bisschen neu deutscher formuliert. Das gilt ja auch momentan als einer dieser Future Skills. Also
00:10:31: diese 4k Kollaboration, Kommunikation, Kritisches Denken und Kreativität. Und ich denke, das wird
00:10:36: immer stärker gefragt werden, weil wir später auch denke ich mal im Arbeitsmarkt immer stärker
00:10:41: kollaborativ arbeiten müssen. So nebenbei gesagt heterogene Gruppen hat man festgestellt sind
00:10:46: auch viel produktiver und kreativer. Also im Spät- und Wustleben ist genau diese Fähigkeit der
00:10:51: Kollaboration eigentlich gefragt. Und die Ergebnisse sind stets eigentlich das Produkt der
00:10:55: Zusammenarbeit. Also niemand ist ja eine Insel und macht dann für sich das alleine. Und das ist
00:11:00: eine ganz große Diskrepanz, denke ich in der Schule, dass eigentlich alles so im gemeinsamen
00:11:06: Stadt findet und man viel mehr erreichen kann, aber in der Schule ist immer verbot und sanktioniert
00:11:10: wird. Also im Kunstunterricht findet ja schon viel Kollaboration statt. Und ich denke es wird
00:11:15: einfach Zeit, dass sich dies auch auf der Aspekt des License, also der Prüfung einstreckt. Lars,
00:11:20: unsere dritte Theorie wäre daran andocken, die Künstlichkeit der Prüfungssituation müsste
00:11:28: verändert werden und zwar indem man authentische Lernleistung ermöglichen kann. Wie würdest du
00:11:32: dir das denn vorstellen? Ja, vielleicht fange ich einfach mal mit dem Bild einer nicht authentischen
00:11:37: Prüfung an. Das kommt gerade aus dem Zentralabitur NRW. Kann ich direkt einfach mal vielleicht
00:11:43: verlesen, vielleicht wird das dann noch mal ein bisschen plastischer. Analysieren Sie die formale
00:11:48: Gestaltung des Werkes und berücksichtigen Sie dabei insbesondere die Aspekte, Bildfläche,
00:11:53: Bildraum, grafische Mittel, einschließlich Lichtführung und Form, gestalterische Ausführung
00:11:58: von Figur und Umraum in Bezug auf deren Abhilft, Abbildhaftigkeit. So, und man kann sich natürlich
00:12:03: jetzt das angucken und das ist ja so eine typische zweite Aufgabe nach einer Bildbeschreibung in
00:12:10: dieser Analyse einzusteigen und natürlich ist das eine konstruierte Leistungsaufgabe. Allein
00:12:16: deswegen schon, weil die Analysekategorien gar nicht aus einer Fragwürdigkeit entstehen, also
00:12:23: aus einer Erstbegegnung mit dem Bild, wo man dann vielleicht überlegt, was kann man denn eigentlich
00:12:28: sinnvollerweise an diesem Bild analysieren und die viel größere Frage stellt sich ja auch,
00:12:33: warum sollte man überhaupt etwas analysieren an dem Bild? Also welche Frage habe ich überhaupt
00:12:39: an das Bild und welche Frage möchte ich überhaupt selbst klären und man sieht das ja schon, dass
00:12:45: es hier eigentlich nur darum geht, irgendwelche Analysekategorien abzuarbeiten, um zu dokumentieren,
00:12:52: dass ich in der Lage bin, dieses Fachvokabular, wenn man so will, zur Anwendung zu bringen.
00:12:58: Mehr ist da, ist gar nicht gewollt, aber das zeigt sich ja auch dann in anderen Klausuren und als
00:13:05: gegen Modell zu diesen eher künstlichen.
00:13:10: Eine Leistungssituation hat dann die Bildungswissenschaftlerin Annis Wifka diesen Begriff der authentischen Leistung
00:13:14: vor allem geprägt. Den gab es natürlich vorher auch schon, aber sie meint damit eine Echtheit und Bedeutsamkeit auch für Schüler*innen.
00:13:21: Und damit ist dann zum einen gemeint, dass Schüler*innen und Schüler eben auch bei der Auswahl schon einer zu bringenden Leistung, eigene Vorstellungen, auch Interessen, aber auch Lärmbedürfnisse mit einbringen können.
00:13:36: Dass sie selbst involviert sind, sie nennt das Voice and Choice als Konstrukt, dass die Schüler da eben mit einbezogen werden und zum anderen aber auch, dass das Produkt, was nachher entsteht, nicht im resonanzleeren Raum verschwindet.
00:13:51: Also nicht die Lehrer*innen oder die Lehrer*innen der einzige Adressat einer Leistungsaufgabe ist oder auf einer Prüfung ist, sondern dass man authentische Resonanzräumenschaft für einen größeren Adressatenkreis,
00:14:06: in dem man dann eben auch vielleicht seine Leistung verantwortet, zeigt, präsentiert.
00:14:11: Welche konkreten Möglichkeiten siehst du denn, um genau das zu realisieren im Kunstunterricht bei den Prüfungsaufgaben?
00:14:18: Ja, also man kann natürlich auch vielleicht mal klein anfangen, wenn ich jetzt von der klassischen Klausur einfach mal ausgehe im Kunstunterricht.
00:14:25: Dann könnte ein Ansatz darin liegen, diese Prüfungsstärker zu individuieren.
00:14:28: Also ich habe in dem Heft auch ein Beispiel gezeigt, eine Oberstufenklasse, die sich eben mit figurelichen Nonfinito-Plastiken etwa zu dem Thema Flucht und Vertreibung auseinandergesetzt haben.
00:14:41: Und die Schüler haben dort in eine Theorie Klausur, das war ein Bild-Analyse-Klausur, wenn man so möchte, ihre eigenen praktischen Lernergebnisse mitgebracht.
00:14:51: Und die Aufgabe jetzt in dieser Klausur war es, ein, wenn man so will, kuratorisches Konzept zu entwickeln für eine mögliche Ausstellung,
00:15:01: in der sie eben ihre eigene Plastik, die sie selbst vorher im Unterricht erstellt haben, in Beziehung setzen zu einer Fremdplastik.
00:15:07: Sie haben dann quasi eine Gipsplastik bekommen, der Eva von Rodin, die wir natürlich im Unterricht auch behandelt haben, auch in ihrem historischen Kontext.
00:15:18: Und sie sollten eben eine Ausstellungssituation kreieren, wo sie ihre eigene Plastik in Beziehung setzen zu dieser Fremdplastik.
00:15:25: Und sollten dazu dann eben ein kleines Raumodell anfertigen, sollten dazu eine Fotografie machen.
00:15:31: Und diese Fotografie war dann quasi die Grundlage für eine vergleichende Analyse, wo sie natürlich dann auch eben diese Analysekategorien genutzt haben, aber die, die sie für sinnvoll erachtet haben.
00:15:43: Und da sieht man schon, dass, dass diese Leistungssituation, das ist ja ganz am Anfang in der ersten These auch schon gezeigt, eben dann nicht isoliert war von dem Lernprozess,
00:15:52: sondern dass es eben hier darum ging, etwas mitzubringen, was vertraut ist, was bedeutsam ist in die Leistungssituation und das dann immer mit etwas anderem zu konfrontieren.
00:16:02: Und aber wichtig auch dieses M-Produkt der Klausur war dann nicht nur eine schriftliche Erläuterung, sondern es war im Endeffekt auch schon, wenn man so will,
00:16:12: für die Blaupause, nachher für die eigene Ausstellungskonzeption, weil die Schüler haben dann wirklich im Nachgang eine echte Ausstellung konzipiert, wo sie diese Fotos, die sie in der Klausur erstellt haben und auch die kleinen Modelle auch mit präsentiert haben.
00:16:25: Also, da war dann die Rückmeldung, die Bewertung der Klausur oder die Projektur auch der Klausur, war dann im Endeffekt formatives Assessment,
00:16:34: weil die Rückmeldung konnten dann direkt einfließen, auch wiederum in eine, ja, wenn man so will, Modifikation des eigenen Ausstellungskonzeptes, ne?
00:16:43: Und wie man so ein Prozess begleitet, kann man ja sehr schön unterstützen durch die Digitalität.
00:16:48: Dann werden wir bei der vierten These, das haben wir bis jetzt noch nicht so ganz reingebracht, und zwar die Digitalität als Chance zu erkennen und neue Formen der Prozessbegleitung und Kollaboration dadurch auszuloten und so nutzen.
00:16:58: Kannst du dazu was sagen?
00:17:00: Ja, genau, vielleicht erst mal dieser Begriff der Digitalität wird ja häufig dann immer verwendet, auch in Abgrenzen zur Digitalisierung, also im rein technischen Prozess.
00:17:08: Aber nach Felix Stalter ist ja Digitalität im Endeffekt ein kultureller Wandlungsprozess, der den Rfest macht an drei Aspekten, Referenzialität, Algorithmizität und Gemeinschaftlichkeit.
00:17:18: Wenn man sich das auf Prüfung mal herunterbricht, dann kann man ja sagen, dass dieser erste Aspekt der Referenzialität zum Beispiel gegeben ist, wenn ich digitale Hilfsmittel auch in Leistungssituationen in Klausuren,
00:17:29: zum Beispiel nutzen kann.
00:17:31: Es gibt ja da Beispiele für sogenannte Open Media oder Open Book-Klausuren, wo es eigentlich selbstverständlich ist, dass Schüler alles das, was sie im Unterricht vorher gemacht haben, auch mit in eine Klausur nehmen können.
00:17:42: Und das bedeutet natürlich automatisch, dass damit natürlich auch die Aufgaben verändert werden müssen, es geht also weniger um Reproduktion von etwas, was ich vorher gelernt habe, sondern viel mehr um Anwendung, um Transfer.
00:17:55: Das ist zum Beispiel etwas, was ich unter diesem Aspekt nutzen kann.
00:17:59: Wenn ich diesen Aspekt der Algorithmizität nehme, dann fallen wir natürlich sofort KI-Tools ein, die ich als Parallelspartner einsetzen kann, um zum Beispiel, wenn ich jetzt bei der schriftlichen Klausur bin, bei der Bildanalyse oder was auch immer nutzen kann, zum Beispiel um
00:18:13: schulistische Korrekturen vorzunehmen, an dem, was ich selbst gemacht habe, wo Schüler dafür auch befähigt werden, zu gucken, was gibt es denn für schulistische Alternativen zu dem, was ich da geschrieben habe und warum könnte ich dann das vielleicht nehmen und nutzen?
00:18:29: Wichtig ist immer, das nicht einfach nur zu übernehmen, sondern auch kritisch zu reflektieren, was schlägt mir die KI vor?
00:18:35: Aber das ist zum Beispiel dann, dieses Bild des Spryingspartners, ich tritt in einem Dialog vielleicht mit der Maschine und kann dadurch vielleicht meine eigene Produkte auch nochmal ganz anders reflektieren.
00:18:47: Aber weiterhin wird ja durch digitale Tools auch die Möglichkeit der Kollaboration erfüllt?
00:18:52: Ja genau, also Kollaboration, das hatten wir auch in der These stehen, und das war ja auch ein Thema, was nicht unseres Heft ist, ein Thema unseres Heft ist, lässt sich natürlich auch nochmal ganz anders realisieren.
00:19:01: Wenn ich mal auf ein Beispiel zurückkomme, was ich auch in einem Heft, wenn man so will, dargestellt habe, da geht es um eine Kollaboration mehr oder weniger einer 7. Klasse, einer Deutschklasse und einer 10. Klasse im Fachkunst, die mehr oder weniger in einen fächerübergreifenden Feedback Interpretationsdialog eingetreten sind, aber das eben nicht real physisch, sondern tatsächlich via Mail.
00:19:26: Mail scheint jetzt erstmal nicht so, dass das neueste Medium zu sein, aber für die Unterrichtssituation vielleicht gar nicht so abwägig, das Oberthema war infesselte Natur in naturmagischen Balladen, man hat sich jetzt in Jahrenstufe 7 in Deutsch natürlich mit dem Thema Balladen beschäftigt, und die Obersturmschüler haben dazu Visualisierung angefälligt zu einer Ballade von Otto Ernst, die Ballade Nisrandas, und sie haben dann diese Visualisierung, also Bildern,
00:19:56: meistens waren das Landschaftsdarstellung mit dieser aufgewaltenden Natur, während eine Sturmes auf hoher See,
00:20:04: haben dann diese Bilder den SIP-Klässern zur Verfügung gestellt.
00:20:08: Und die SIP-Klässer haben jetzt nicht nur die Ballade einfach analysiert, sondern sie haben den Schülern der Oberstufe eine Feedback-Mail beschrieben,
00:20:17: nach bestimmten Kategorien natürlich, ein konstruktives Feedback, wo sie dann eben auch beschreibende Elemente drin haben,
00:20:24: wo sie dann das Bild in Beziehung setzen sollten, auch zu der Ballade und so weiter.
00:20:29: Und dann eben auch so eigene Fragen formulieren sollten, Verständnisfragen, aber auch Fragen, wo sie denken,
00:20:35: naja, das ist ja schon eine individuelle Interpretation dieser Ballade, eigentlich steht im Text ja was anderes.
00:20:41: Das heißt, die haben dann diese Mails formuliert und haben dann den Oberstummschülern dieses Feedback gegeben.
00:20:49: Und das war natürlich dann schön möglich, das Asynchron zu ermöglichen.
00:20:54: Das ist eben, finde ich, die Stärke von Digitalität.
00:20:57: Die beiden Klassen müssen nicht immer, das ist ja in Schule auch schwierig, physisch präsentisch in einem Raum sein.
00:21:03: Das wären dann jetzt ja irgendwie 50 Menschen, die könnte man ja gar nicht in einem Raum jetzt zusammenbringen
00:21:08: und dann sinnvoll miteinander arbeiten lassen.
00:21:10: Aber über dieses Asynchrone, über die Asynchrone-Kommunikation war es dann möglich, also einen Dialog einzutreten, über das Bild.
00:21:18: Und das hat dann gleichsam auch nochmal die Authentizität erhöht.
00:21:22: Weil natürlich plötzlich jeder Schüler quasi, ich sage mal ein Brieffreund hatte, oder jemand, mit dem er dann in den Aussage getreten ist.
00:21:28: Und damit war nicht ein ich als Lehrer quasi die zentrale Instanz, die jetzt irgendwie eine Rückmeldung gegeben hat,
00:21:33: sondern es waren Mitschüler*innen aus höheren Jahrgangsstufen.
00:21:37: Das hat nochmal die Bedeutsamkeit auch erhöht und die haben wirklich dann so ein Pinkpong gespielt.
00:21:43: Also hin und her und haben sich dann auch wieder Rückfragen gestellt zu dem Bild und zu der Feedback-Mail.
00:21:50: Die haben wir sehr ernst genommen und das war eben möglich, ohne eben diese Kurpräsenz.
00:21:54: Und das ist eben eine sehr niedrigschwellige Möglichkeit auch Digitalität finde ich in Schule leber zu machen,
00:22:01: weil eigentlich hat auch jede Schule ja auch ein Management-System irgendwo, wo Schüler dann mit einer eigenen Mail adressiert werden können.
00:22:09: Und ich glaube, dass diese Jahrgangsübergreifenden Dialoge oder auch Kollaboration in dem Fall auch etwas sind,
00:22:19: die eben durch diese Möglichkeiten nochmal erweitert werden können.
00:22:24: Statt jetzt das ganze jetzt am Ende nochmal so zusammenzufassen, was wir sowieso gehört haben,
00:22:28: finde ich es schöner, wenn wir vielleicht Wünsche formulieren würden, was wir uns denn wünschen für die Zukunft der Schule, bzw. Kunst und so weiter.
00:22:35: Also was würdest du dir konkret wünschen jetzt bezogen auf unser Thema?
00:22:39: Ja, also wenn ich mir das wünschen würde, dann müsste ich natürlich weit über den Kunstunterricht auch hinausgehen.
00:22:45: Ich würde mir so eine so eine entwicklungsförderliche Prüfungskultur wünschen.
00:22:49: Das würde ganz konkret bedeuten, dass die Rhythmik des Lernens in allen Fächern,
00:22:53: nicht mehr wesentlich durch diese punktuell stattfindenden Klassenarbeiten oder Klausuren am Ende von Lernanheiten bestimmt werden,
00:22:59: sondern das Assessment eben oder auch Prüfung als entwicklungsförderliche,
00:23:04: wenn man so will, dialogische Reflektionen schleifen, auch in den Lernprozess integriert werden.
00:23:09: Du hast es ja am Anfang auch selbst gesagt.
00:23:11: Und da finde ich es nochmal ganz spannend.
00:23:13: Ein Wunsch vielleicht auch, dass andere Fachpulturen durchaus auch von der Kunstdidaktik lernen können,
00:23:20: weil ich glaube schon, dass wir ja auch vielfältig auch in den entsprechenden Fachdidaktiken
00:23:25: diesen Aspekt der Prozessorientierung sehr umfangreich schon reflektiert haben,
00:23:31: weil das eben in bildnerischen Projekten immer schon ein wesentlicher Punkt war,
00:23:37: bei längerfristigen Projekten eben diesen Entwicklungsprozess mit in den Blick zu nehmen.
00:23:42: Und ich würde mich freuen, wenn da wir auch Impulsgeber sein können von unserem Fach heraus in andere Fächer.
00:23:50: Und wenn man nochmal auf unser Heft guckt, da hat ja die Gesine Hupsteine ja auch am Ende einen schönen Kontextbeitrag geliefert,
00:23:56: wo sie das eben auch zeigt, wie das in unserer Fachdidaktik immer schon implementiert war.
00:24:01: Und das mag vielleicht auch ein Lese, ein Anlass sein für andere Vertreter in anderen Fächern.
00:24:08: Genau, Tom, aber du hast sicherlich auch einen Wunsch.
00:24:11: Gehe ich mal von auch mal was, der dir unter den Nägeln brennt.
00:24:14: Genau, geht eigentlich in die selbe Richtung.
00:24:16: Also ich würde mir vor allem wünschen, dass in der Schule das Lernen und weniger das Bewertenvorragung steht,
00:24:20: indem wir auf die Potenziale und weniger auf die Feder schauen.
00:24:23: Also in der Schule, in der einfach alle gemeinsam lernen und arbeiten,
00:24:27: miteinander kollaborativ, kreativ, gemeinsam aufwärgen und wählen,
00:24:30: die dann als Sinnhaft wahrgenommen werden.
00:24:32: Und als Sinnhaft wahrgenommen werden können von den Schülern auch.
00:24:35: Und ich hoffe sehr, dass wäre natürlich ein ganz großer Wunsch,
00:24:38: wenn unser Heft dann einen kleinen Beitrag zu leisten könnte, indem wir Beispiele einfach verdeutlichen
00:24:44: oder ja, vielleicht Ideen generieren können, wie das funktionieren könnte.
00:24:49: Im Kunstsensricht, aber natürlich, du sagst ja schon, vielleicht auch in anderen Fächern darüber hinaus.
00:24:54: Also ich hoffe einfach, dass wir mit diesem Podcast, aber auch mit dem damit verbundenen Themenheft
00:25:00: so ein bisschen Lust gemacht haben, selbst auf den Weg zu machen
00:25:03: und diese vielen Möglichkeiten, die es ja heute schon gibt, auch in dem System, in dem wir uns befinden,
00:25:09: dann einfach auch mal wirklich offensiv auszunutzen
00:25:13: und dann gemeinschaftlich vielleicht irgendwann diese Kultur auch endgültig transformieren.
00:25:19: Aber ich finde, diese vielen kleinen Schritte sollten erstmal auch gemacht werden
00:25:24: und dazu laden wir einfach ein und hoffen, dass sie oder ihr selbst Freude habt,
00:25:31: ja, da einfach euch mal selbst auf den Weg zu machen.
00:25:34: Vielleicht habt ihr das ja auch schon gemacht
00:25:36: und wir würden uns einfach auch über eure Rückmeldung freuen,
00:25:39: ganz jenseits dessen, was wir jetzt im Heft versammelt haben.
00:25:42: Also unsere Mails sind ja damit auch verknüpft jetzt mit diesem Podcast,
00:25:47: also schaut euch nicht, uns eine Rückmeldung zu geben, wir freuen uns.
00:25:51: Genau, vielen Dank fürs Zuhören und natürlich auch fürs Leben und natürlich auch fürs Rückmeldung.
00:25:57: Genau, einen schönen Tag und bis bald, ciao.
00:26:12: innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt.
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