Deutsch: Welchen Roman als nächstes lesen?

Shownotes

Gegenwartsromane haben im Deutschunterricht einen festen Platz. Leider beschränkt sich der Unterricht meist auf Texte, die sich auf den Lektürelisten für zentrale Abschlussprüfungen finden. Aber was lohnt sich darüber hinaus? Wir stellen dir aktuelle Entdeckungen vor. Deine Schüler:innen werden zum Lesen motiviert und können sich mit den Themen/Figuren identifizieren. Sie nehmen an aktuellen Diskursen teil und vertiefen ihr Verständnis von Gegenwart. Darüber hinaus entwickeln sie die notwendigen Kompetenzen, die für das Lesen langer Texte erforderlich sind. Mehr dazu erfährst du in der Ausgabe 297 von Praxis Deutsch erschienen im Friedrich Verlag.


Im Podcast hörst du Moderator Sebastian Nüsse im Gespräch mit Prof. Clemens Kammler (Deutsch-Didaktiker und Herausgeber).

Transkript anzeigen

00:00:00: Einfach unterrichten. Der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrich-Verlag. Wir bringen

00:00:10: innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt. Herzlich Willkommen beim Podcast

00:00:16: Friedrich Plus Deutsch vom Friedrich-Verlag. In jeder Folge bringt er den neuesten Stand der

00:00:21: Fachdidaktik in 5 Thesen auf den Punkt, welche ich dann am Ende der Folge nochmal zusammenfasse.

00:00:25: Heute geht es um Gegenwärtsromane. Mein Name ist Christian und ich habe die Ehre mit den Menschen

00:00:30: hinter den Unterrichtsidon des Friedrich-Verlags sprechen zu dürfen und heute ist mein Gast

00:00:35: Clemens Kammler. Clemens ist Literaturwissenschaftler, Autor einer Vielzahl von Publikationen der

00:00:41: Literaturwissenschaft und Didaktik, vor allem mit einem Schwerpunkt Gegenwärtsliteratur. Er ist

00:00:47: selbst 16 Jahre Gymnasialdärer gewesen und außerdem Fachleiter und hat Referendare ausgebildet und

00:00:52: danach Professor an der Universität Bielefeld und dann Duesburg Essen für Germanistik. Und

00:00:58: natürlich ist er Herausgeber beim Friedrich-Verlag und hat gerade bei Praxis Deutsch eine Ausgabe zum

00:01:03: Thema Gegenwärtsromane veröffentlicht. Gesprechen also heute darüber, was es bei der Einbindung von

00:01:09: Gegenwärtsromane in den eigenen Unterricht so zu beachten gilt. Clemens, schön, dass du da bist.

00:01:15: Ganz lieben Dank schon mal voraus. Was sollte denn der höhere oder die höhere noch von dir wissen,

00:01:20: was ich jetzt unterschlagen habe oder wo und wie würdest du dich selbst vorstellen?

00:01:24: Ja, als jemand, der sein Berufsleben eigentlich mit Deutschunterricht verbracht hat. Da hindere

00:01:32: mich ja natürlich auch andere Fächer und der sich sehr für Literatur interessiert und der sich

00:01:40: auch sehr für Literaturvermittlungen interessiert und zwar in allen Alters- und Lebenslagen an der

00:01:48: Schule, an der Hochschule und auch schon in der Vorschulszeit. Die erste Frage, die mir durch den

00:01:53: Kopf ging, als ich das Thema gelesen hatte, Gegenwärtsromane, war ab wann spricht man denn von

00:01:58: einem Gegenwärtsromane oder was ist dann kein Gegenwärtsromane mehr? Das ist schwierig. Also,

00:02:03: die Literaturwissenschaft hat mehrere Antworten darauf, die aber auch immer wieder ganz schnell

00:02:10: überholt sind. Erst war die Grenze 1945, dann war sie 1968, dann war sie '89/'90 in der

00:02:19: Deutschsprachien-Literatur. Das sind aber immer letztlich politische Ereignisse, die sozusagen nur

00:02:28: bedingt Aussage kräftig sind über das, was gegenwärtig ist in der Literatur. Und von daher ist

00:02:36: das ein, sagen wir mal, schwer zu bestimmender Begriff und ein Begriff, der auch unterschiedlich

00:02:42: gewordelt ist. Ich würde als Didaktiker immer auch die Frage stellen, was ist aus der Perspektive

00:02:49: heutiger Kinder jugendlicher gegenwärtig? Und das hat sehr viel auch mit Medienkultur zu tun,

00:02:58: unter anderem. Wenn es keine Handys gibt und keine Computer, dann ist das schon keine Gegenwart mehr

00:03:05: für heute Jugendliche. Und es hat mit Lebensfeld zu tun. Wenn zum Beispiel jetzt Markennamen vorkommen,

00:03:13: die diese Kinder nicht mehr kennen, die nicht mehr ihrer Gegenwart angehören, dann ist das für

00:03:18: sie schon ein alter Text, ein älterer Text oft. Wir haben für dieses Heft die Grenze wirklich

00:03:26: sehr, sehr eng gezogen. Wir haben gesagt, alles, was älter ist, als zehn Jahre berücksichtigen wir

00:03:32: nicht mehr, auch weil es letztlich schon im Unterricht angekommen ist in der Regel dann,

00:03:38: wenn es interessant war für die Schule. Ich weiß gar nicht, ob Harry Potter dann noch

00:03:43: dreienzielte bei euch, weil das war mein großer Roman, den ich über die Kindheit hatte. Also ich

00:03:49: würde schon sagen, dass ich bei Harry Potter um fantastische Literatur handel, in der sowas wie,

00:03:55: sagen wir mal, Handys und Computer, nicht so diese entscheidende Rolle spielen, halte ich das eher

00:04:03: für ein Grenzfall. Und es zeigt eben auch, wie schwierig die Bestimmung dieses Begriff ist. Ich

00:04:08: würde es aber nicht mehr, also in diesem ganz engen Sinne zur Gegenwart-Siteration. Ich hätte

00:04:14: das nicht mehr berücksichtigt in diesem Heft, weil es letztlich schon abgegrasst ist. Es ist in der

00:04:20: Schule bei uns auch nie richtig angekommen, eher in der Privatlektor. Da ist es massiv angekommen.

00:04:25: Das ist ganz interessant. Also nicht jeder Text, den Kinder und Jugendliche zu Hause gerne lesen,

00:04:30: ist für die Schule geeignet. Was spannend ist, weil gerade in diesem Roman so viele

00:04:35: gesellschaftlich relevante Themen diskutiert werden, sei es Diskriminierung, Rassismus,

00:04:39: na ja, die eigenen Stärken finden und so weiter. Da hat sich schon wirklich große Arbeit geleistet.

00:04:43: Im Gegensatz dazu, was wären auf jeden Fall keine Gegenwart-Literatur? Also der Großteil der Texte,

00:04:51: die im Deutschland-Richt, also insbesondere der Oberstufe, der gymnasialen Oberstufe gelesen werden,

00:04:59: zählt ja zum sogenannten Kanon. Also nehmen wir jetzt den Faust, nehmen wir den Wolzig,

00:05:04: nehmen wir Fibries oder solche Texte, die immer wieder gelesen werden und im Zentralabitur

00:05:10: vorkommen. Die sind keine Gegenwart-Siteratur. Ich will die gar nicht ablehnen. Ich liebe die zum

00:05:17: Teil, ja, aber nicht jeder Lehrer, der sie zum vierten, fünften, sechsten Male unterricht behandelt,

00:05:23: kann das von sich sagen. Das ist oft schwierig, selbst zu diesen Texten noch ein emphatisches

00:05:29: Verhältnis, muss ich sagen, zu haben, zu sagen, ich finde den Klasse den Text und möchte den mal

00:05:34: in Schülern vermitteln. Und bei Schülern ist es oft so, dass die sich eben schwer tun

00:05:41: mit der Lektüre. Emilia Clamotti heißt es dann, was mir bei einem Gegenwartstext mal passiert ist,

00:05:47: dass an Schüler der Fußballfan war, zu mir kam und am Tag vorher war ein Champions-League-Spiel. Da

00:05:53: spielte seine Mannschaft, die zufällig auch meine war. Ich fragte je nach, hast du das Spielgäste

00:05:57: angesehen? Nein, ehrlich gesagt, ich habe diesen Text gelesen, X, Y, den er für den Unterricht

00:06:06: lesen sollte, ein Gegenwart-Siterarischer Text und fand das so spannend, dass ich nicht Champions-League

00:06:13: geguckt habe gestern Abend. Also das ist unfassbar. Sowas wäre nie beim Faust oder bei

00:06:20: Femries passiert, denke ich. Das war auch sehr selten, dass sowas passiert. Das heißt, das wäre

00:06:27: vermutlich auch eines der größten Vorteile, wenn man sich mit Gegenwartsliteratur beschäftigt,

00:06:31: dass man die Motivation der Schüler bekommt. Ja, das ist aber kein Automatismus. Natürlich

00:06:37: sind viele Texte können unterhaltend sein, wie dieser Text, von dem ich da gerade gesprochen habe,

00:06:42: das war übrigens ein Text von Bernhard Schling und den manche ja auch nicht unbedingt mögen und

00:06:49: der bei der Schule sehr erfolgreich war. Es gibt auch Texte dagegen, was wir da tun,

00:06:54: die ziemlich sperrig sind. Also die sozusagen sich zur Avangarde zählen und Sprach-Experimente

00:07:00: betreiben usw. Nehmen wir jetzt mal einen Autor wie Reinhard Jörgel oder Clemens Setz oder

00:07:07: solche Leute, die sehr erfolgreich sind im Fötter und die Preise gewinnen, aber die nicht

00:07:12: unbedingt leichte Kosten und unterhaltend sind. Der Deutsch-Unterricht muss dann natürlich immer

00:07:17: ein Mittelweg finden. Der kann nicht nur auf die Karte Unterhaltung setzen. Der muss gucken,

00:07:22: wie auch schwieriger Texte dann vielleicht nicht als Ganzschriften, sondern an den Auszügen nur

00:07:28: reinbringt. Aber er muss Schülern auch deutlich machen. Literatur kann sehr unterhaltend sein und

00:07:33: es kann riesen Spaß machen, die zu lesen. Wie kann denn das gelingen, gerade wenn man so ein

00:07:38: etwas sperrigeren Gegenwartstext hat, den trotzdem auf eine schöne Art und Weise so einzubinden,

00:07:45: dass der Bezug, die Motivation des Interesse weiterhin da ist und vor allen Dingen aber auch

00:07:50: der didaktischen Nutzen von diesem sperrigen Text gewahrt wird? Ja, das kann zum Beispiel also

00:07:55: dadurch geschehen, dass man einen solchen Text, einfach nur einen Auszug aus diesem Text nimmt und

00:08:03: guckt, was da sozusagen ein sprachlicher Herausforderung drinsteckt. Und das gibt ja oft,

00:08:10: da sind ja oft dann auch Rässe, die zu knacken sind bei einem solchen Text. Was ist da mit gemeint

00:08:16: oder so? Was macht er damit Sprache jetzt? Dann nicht hingeht und sagt, lese den Text zu Hause von

00:08:22: vorne bis hinten durch und dann reden wir erst darüber. Und auch gar nicht unbedingt mal den

00:08:27: Anspruch hat, diesen Text als Ganzen zu behandeln. Also wenn ich jetzt mal aus unserer Helf denke,

00:08:32: ich will jetzt gar nicht zu sehr auf einzelne Einzelheiten eingehen, da aber sowas wie Christoph

00:08:38: Nussbaum, Edas, Roman, die Unfauchen. Es ist ein riesen Konvolut, das sind 1.000 Seiten. Das kann

00:08:45: man nicht so im Unterricht banneln. Es ist hervorgegangen aus einem Theaterstück, dass ein

00:08:50: eineinhalb Stunden gezeigt wird aus dem Theater. Daraus macht er dann einen riesen Roman. 100 Jahre

00:08:55: Familiengeschichte werden da behandelt. Und da kann man einfach hingehen und sagen, okay, es gibt

00:09:00: verschiedene Medien, es gibt ein Hörbuch, es gibt das Theaterstück, es gibt die Möglichkeit, den

00:09:07: Inhalt einfach mal zusammenzufassen und dann greift man sich einfach mal einzelne Szenen raus,

00:09:11: vergleicht vielleicht meine Szenen aus dem Theaterstück mit einer Passage aus dem Roman. Was hat

00:09:16: er gemacht? Wie hat er diesen dramatischen Text in einen ethischen Umbeformt? Was ist da handwerklich,

00:09:23: sozusagen passiert auf einer handwerklichen Ebene? Das macht zum Beispiel Thielmann von Brandt in

00:09:27: seinem Modell zu diesem Roman. Aber hinzugehen und einem Lehrer zu sagen, hier haste diesen Ding

00:09:33: schinken, macht das mal im Unterricht. Das wird keiner tun, denke ich. Das hat keinen Sinn.

00:09:38: Aber ich höre daraus auch so ein bisschen, dass Gegenwartsliteratur immer aktuell sein muss,

00:09:44: weil die Gegenwart sich ja immer weiter in die Zukunft verstiebt und man deswegen auch immer

00:09:48: eine jüngere Literatur nehmen sollte, oder habe ich das missverstanden? Nein, nein. Also ich glaube,

00:09:53: aktuell kann ja auch ein Text sein, der sehr, sehr alt ist. Ich würde mal sagen, du hast es

00:10:01: gerade von Harry Potter gesagt. Der Text ist hochgradig aktuell. Nur lag es da vielleicht daran,

00:10:06: dass er in der Schule nicht so angekommen ist. Wir haben auch Unterrichtsmodelle dazu gemacht.

00:10:10: Und sowas trotzdem funktioniert er das nicht. Manche Schüler sich auch oft das, was sie privat

00:10:16: gut finden, nicht wegnehmen lassen wollen. Und Schule nimmt ihnen da sozusagen ihre Privatsphäre

00:10:21: weg. Aber aktuell, in dem Sinne, dass es jetzt unbedingt vom Ukraine-Krieg handelt oder von irgendwelchen

00:10:31: politischen Themen, die gerade sozusagen sehr wichtig sind für uns, muss der Text nicht unbedingt

00:10:37: sein. Also zwischenmenschliche Beziehungen sind immer aktuell, denke ich. Wenn ich jetzt wahrscheinlich

00:10:43: an die Kinderliteratur denke, zu der wir Modelle gemacht haben in dem F, also zum Beispiel Katharina

00:10:48: Hacker, ein Roman, da geht es sehr um die Beziehung von eines Mädchens zu Tieren. Das ist ganz

00:10:56: interessant. Also das Kind verarbeitet letztlich Probleme. Die Mutter ist gestorben und sollte

00:11:03: die es hat, indem es sozusagen die Freundschaft zu diesen Tieren aufbaute. Ja, das ist aktuell,

00:11:10: kann man sagen. Und das könnte man also vor zehn Jahren erzählt haben und man kann es in zehn

00:11:15: Jahren immer noch erzählen. Das ist auch das Kriterium, an dem man gegenwärtsliteratur vor

00:11:20: allen Dingen messen sollte. Inwiefern lässt sich das Thema des Textes auch auf aktuelle

00:11:23: Gegebenheiten anwenden oder erfordert sehr viel Spagat, vielleicht von irgendeinem Werk von

00:11:28: Demokrat oder Aristoteles. Wenn man es auch in didaktischer Perspektive sieht,

00:11:34: ist es einerseits natürlich eine thematische Relevanz, die die meisten Texte haben. Das

00:11:42: heißt, Familienkonflikte in der Art, wie sie sich heute abspielen, unterscheiden sich

00:11:46: komplett von denen, wie sie sich in fünfzehn Jahren abgespielt haben, zum Beispiel vor den

00:11:51: Jahrhunderts. Also das ist Aktualität auch da auf dieser Ebene. Und natürlich könnte

00:11:59: man sagen, auch Sprache ändert sich in der Literatur. Also es wird nicht mehr so geschrieben

00:12:04: heute wie im 19. Jahrhundert oder Multi-Perspektivität. Es gibt immer die Verbindung zwischen sprachlicher

00:12:12: und literarischer Modernität, kann man sagen, und thematischer Aktualität. Vielleicht ganz

00:12:21: kurz noch sagen, wir haben also einen Roman in dem Hef von Lea Lina Oppermann, was wir

00:12:28: taten. Es sind ganz junge Autoren und da geht es um Amoklauf. Also der Titel heißt Amoklauf

00:12:33: als Kammerspiel in einer Schule, der kommt sozusagen jemand in eine Lerngruppe rein,

00:12:38: in den Oberstufenkurs und bedroht diesen Kurs mit der Waffe. Und es wird aus drei

00:12:44: verschiedenen Perspektiven beschrieben. Drei verschiedene Figuren beschreiben das,

00:12:49: was da passiert. Also die Anwesend sind auch. Da ist ein Lehrer Anwesend und eben so und

00:12:55: so viel Schüler und Schülerinnen und das Ganze entwickelt eine unglaubliche Spannung und Dynamik

00:13:01: gerade durch diese unterschiedlichen Perspektiven auf das Geschehen. Das ist auch eine Art des

00:13:06: Schreibens, die nicht unbedingt in traditionellen Jugendromanen der 15 oder 60 Jahre des frühen

00:13:14: Jahrhunderts zu finden ist. Und Amoklauf als Thema ist ja auch ein relativ neues Thema,

00:13:21: würde ich sagen, für uns an Schulen. Zumindest seitdem es Schusswaffen gibt, kann es existieren,

00:13:27: aber davor war das ein bisschen schwieriger. Was wäre denn dann ein wirklicher Fauxpas,

00:13:33: den man machen könnte, wenn man gegenwärts Literatur den Unterricht einbinden möchte?

00:13:38: Eigentlich kann man da gar keinen Fauxpas machen, würde ich sagen. Ich finde viel

00:13:43: wiegher die Bereitschaft überhaupt, sich auf neue Literatur einzulassen, sowohl von Lehrerseite,

00:13:48: Lehrerinnenseite erstmal, dass man nicht hingeht und auch das habe ich hier schon seit

00:13:52: 10 Jahren gemacht und das außerdem gibt mir das Kultusministerium sowieso dies und das

00:13:57: und jenes vor, was ich im Zentralabitur machen will. Also ich lese nicht mehr, ich schaue auch

00:14:02: nicht mehr, was könnte denn für die Schule geeignet sein, sondern warte nur noch, was da auch

00:14:07: mich zukommt und was man mir da präsentiert und was ich früher schon gemacht habe. Das finde ich

00:14:12: keine gute Einstellung oder man sollte einfach offen sein und man sollte auch Wut zum Risiko

00:14:18: haben. Man kann ja durchaus auch mal Misserfolg haben mit einem neueren Text gut. Dann versucht man

00:14:24: es eben wieder und lässt sich nicht entmutigen. Das ist glaube ich wichtig. Ich würde daraus ein

00:14:29: bisschen auch die Freude für das eigene Fach auf jeden Fall zu spüren und hochzuhalten.

00:14:34: Ja und die Freude am Experiment und sozusagen nicht immer nur sagen, ach das habe ich schon

00:14:40: mal gemacht, das ist früher schon mal gut gelaufen. Das kann beim nächsten Mal ganz anders laufen und

00:14:45: weil man selber gar nicht mehr die Lust an diesem Text hat. Es gibt von Roland Barth eine

00:14:51: wunderschöne Essie, die Lust am Text und glaube ich, wenn ich die als Lehrer nicht mehr verspüre,

00:14:57: kann ich meinen Schülern solche Lust auch nicht vermitteln. Ich glaube, das lässt sich auf

00:15:02: sehr viele Bereiche des Lehrer Daseins anwenden, dass wenn die Flamme in einem selbst nicht brennt,

00:15:05: dass man dann auch die nicht bei Kindern entzünden könne. Gibt es denn dann für dich aus

00:15:10: deiner Erfahrung ein Fehler, den du mal gemacht hast oder ein Tipp, den du weitergeben wollen,

00:15:14: würdest, wie es gelingen kann, das umzusetzen? Ja, Fehler habe ich eine ganze Menge gemacht,

00:15:22: die jetzt im Allzelnen auch zu führen würde, glaube ich, lange dauern. Ein Tipp, wie es gelingen

00:15:30: kann, also wäre zum Beispiel der solche Hälfte zu lesen und zu gucken, finde ich da was oder

00:15:36: lass mich doch mal was ausprobieren. Ja, es ist ja so, das Hauptproblem ist, dass es unmassen

00:15:43: von Neuerscheinungen gibt und literarische Neuerscheinungen und man kann sich kaum orientieren. Und ja, es gibt

00:15:49: ja eine Literaturkritik natürlich, man kann sich seriöse Zeitungen halten und lesen, was wird

00:15:56: da im Fötung rezensiert, aber die haben natürlich keine didaktische Perspektive und diese Zeitschrift,

00:16:03: auch andere Zeitschriften natürlich, ich will ja gar nicht sagen, dass das nur praxisdeutsch macht,

00:16:07: aber die versucht eben sozusagen das, was Literaturkritik für die Allgemeinheit macht,

00:16:14: für Schule zu machen. Das heißt, in didaktischer Perspektive eben auch gegen was Literatur zu

00:16:21: rezipieren und dafür sollte man offen sein, finde ich, als Lehrer. Hast du persönlich gerade ein

00:16:28: Lieblingsroman, der dir ganz viel gibt und du sagst, der ist es und deswegen ist es? Wow, ich lese

00:16:35: sehr viel und werde auch immer wieder durch lesen zum lesen angeregt, das ist interessant, aber auch

00:16:42: durch Gespräche mit Freunden und so weiter. Lieblingsroman ist schwer, also ein Autor,

00:16:50: den ich sehr gerne mag und ich habe gerade jetzt von "Lingert mir meine Frau gestern zum Valentinstag geschenkt",

00:16:56: wir sind aber seit über 40 Jahren Freirende, muss man dazu sagen, das ist ein Buch von F.C. Delius.

00:17:03: F.C. Delius ist ein Autor, der voriges Jahr verstorben ist, der war fast 80 Jahre alt,

00:17:11: der ist um 68 Jahre alt, als ganz junger Autor bekannt geworden, hat sehr viel,

00:17:17: hat einen Büchnerpreis bekommen und der hat ein Buch geschrieben, eigentlich eine Erzählung ist,

00:17:24: dass die Zukunft der Schönheit heißt. Das ist ein Text, den ich selbst unglaublich stark finde,

00:17:31: also dazu habe ich auch selbst aufsatzgeschrieben, weil er mich so beeindruckt hat. Und da geht es

00:17:37: letztlich um eine Situation, er erlebt so ein Jazz-Concert in New York und das ist ganz,

00:17:44: ganz strange diese Musik herrscht und so weiter und dann kommt da immer mehr rein in diese Musik

00:17:50: und lässt sich immer mehr sozusagen zum Denken, zum Assoziieren, zur Auseinandersetzung mit sich

00:17:56: selbst und seiner eigenen Geschichte und seiner eigenen Art auch zu schreiben und Kunst zu machen

00:18:01: ein und das selbst viel in ihm freier einfach. Und das ist ja, das ist ja das, was Kunst eigentlich,

00:18:08: deswegen, dass es die Zukunft der Schönheit, was Kunst schaffen sollte. Und ja, deswegen habe

00:18:14: ich diesen Text sehr, sehr gerne gelesen und er ist auch nicht so dick, ich weiß nicht, ob ich

00:18:18: jetzt vielleicht auch mal in der Schule versuche, aber ich bin ja jetzt nicht mehr an der Schule.

00:18:21: Ich nehme es mir auf jeden Fall mit und vielleicht hinter der einen oder andere Höhre oder die

00:18:25: Höhren auch. Bevor ich dich gleich nochmal bitte eine konkreten Hinweis mitzugeben,

00:18:31: wenn es nur eine Sache gäbe, hier aus der Folge, die dir wünschen würdest, dass sie mitnehmen,

00:18:35: dann kannst du jetzt schon mal kurz drüber nachdenken, was ist der gäbe aus diesem großen

00:18:40: Potpourri. Ich würde für mich nochmal kurz zusammenfassen, was ich jetzt hier raus mitgenommen

00:18:44: habe aus dem Gespräch und was diese fünf Thesen sein könnten. Man sich dem Thema Gegenwartsromane

00:18:49: nähern kann. Vor allen Dingen war für mich da vielleicht als nulle These, in die Liebe zur

00:18:54: Literatur zu spüren und dann eine Neugierde zu haben. Wenn man das dann etabliert hat,

00:19:00: dann sehe ich da als großen Benefit, als Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler natürlich zum

00:19:06: Lesen motiviert werden, wie die Geschichte von dem "Ich habe kein Champions League geschaut,

00:19:10: sondern habe gelesen", denn schließlich ist das doch ein bisschen anders in der heutigen Zeit,

00:19:15: als wie ich vor 100 Jahren war. Das ist natürlich eine große Resonanz. Dann sehe ich einen Punkt,

00:19:21: dass die Schülerinnen und Schüler sich auf jeden Fall mit den Themen und Protagonisten mehr

00:19:25: identifizieren können, was sich vermutlich aus der Motivation ergibt, bzw. die Motivation ergibt,

00:19:29: sich aus der möglichen Identifikation. Schülerinnen und Schüler entdecken auch vielfältigere,

00:19:35: methodische und mediale Möglichkeiten von Gegenwartsromanen, weil sich der Schreibstil

00:19:39: verändert hat, weil es vielleicht auch andere Darreichungsformen vom selben Inhalt gibt,

00:19:43: weil es einen Hörbuch noch dazu gibt und man sich dann diesen Thema noch einmal widmen kann.

00:19:47: Wie hat das denn der Sprecher sich zu eigen gemacht? Dann würde ich Viertens noch sagen,

00:19:53: die Schülerinnen und Schüler nehmen im aktuellen Diskurs teil, weil es ist Gegenwartsliteratur

00:19:58: und behandeln Themen, die vielleicht in die Medien angekommen sind, wie z.B. Armourgläufe. Das,

00:20:05: was du da aufgeschrieben hattest von der einen Autorin. Abschließend würde ich das mit, man

00:20:12: entwickelt die nötigen Kompetenzen für das Lesen längerer Texte auf jeden Fall mit,

00:20:18: mit dem Vorteil, dass die Texte relevanter, interessanter vielleicht sind. Ich weiß jetzt

00:20:26: bei mir, ich habe Harry Potter verschlungen mehrmals und das waren 1.600 Seiten, glaube ich,

00:20:31: in dem einen Band. Zwei Tage habe ich komplett durchgelesen, aber fantastisch.

00:20:36: Das habe ich bei meinen Kindern auch erlebt übrigens, also ich habe es ganz gut nachvollziehend.

00:20:41: Aber unabhängig davon, meine Frage hier ist, was meinst du, wäre so ein konkrete Ansatzpunkt jetzt

00:20:51: für eine Lehrkraft, die das hier hört und sich fragt, ja, wie mache ich jetzt damit weiter? Wie

00:20:55: kann ich das in meinen Alltag einbinden? Also zunächst mal wird ja immer damit argumentiert,

00:21:04: dass das nicht genug Zeit ist und so weiter, aber ich glaube, es ist immer eine Entscheidung,

00:21:11: die man treffen muss und sagen muss, ich versuche das jetzt ganz einfach mal und ich

00:21:17: lass mich anregen. Aber ein zweiter Punkt ist viel von Medien und von Methoden, immer die Rede und

00:21:23: so weiter ist ja auch alles sehr wichtig. Für mich ganz, ganz wichtig ist im Zusammenhang mit

00:21:30: Literaturvermittlungen ist es der spielerische Aspekt. Das heißt also, ich habe früher auch

00:21:36: Literaturkurse gegeben und viel Theater gespielt und die Faszination, die da entstanden ist,

00:21:44: da haben wir uns einfach nur Texte genommen gelesen und gesagt so, was instimieren wir jetzt und

00:21:49: das müssen nicht unbedingt dramatische Texte gewesen sein, das könnten auch Hosatexte gewesen

00:21:53: sein, die man dann zu dramatischen Texten gemacht hat oder so. Das passiert ja viel,

00:21:58: das Romane auf der Bühne gezeigt werden. Also wenn man es schafft sozusagen diese spielerische

00:22:05: Momente, diese Freude am Spiel irgendwie mit hinein zu bekommen in den Unterricht,

00:22:11: dann ist das sehr gut, glaube ich. Ja, das gilt natürlich nicht nur für Gegenwartssiteratur.

00:22:17: Ich vermute nicht für alle Aspekte des Lehrends, aber gerade bei vielleicht

00:22:22: üblicherweise sperrigeren Themen, die man so auf dem Kopf hat, ist das natürlich ein sehr

00:22:27: wertvoller Hinweis. Clemens, Dankeschön für diesen intensiven kurzen Exkurs gleichzeitig in

00:22:35: diese Thematik und für alle, die jetzt mehr wollen, natürlich die Einladung sich, die Ausgabe

00:22:39: zu Gummite zu führen, Praxisdeutsch zum Thema Gegenwart Romane. Ja, ich danke auch Christian. Das

00:22:45: war ein sehr anregendes Gespräch und ich habe mich gefreut, dass ich das führen durfte mit dir.

00:22:52: Das war "Einfach unterrichten", der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrichverlag.

00:23:02: Wir bringen innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.