Mathematik: Wie fördern wir Grundvorstellungen für echtes Matheverständnis?
Shownotes
Mathematisches Denken und Handeln beruht auf Vorstellungen, die im Langzeitgedächtnis gespeichert und vernetzt sind. Wie können wir grundvorstellungsbasiert unterrichten und diese Vorstellungen nachhaltig aufbauen? Ob Brüche, Funktionen oder Wahrscheinlichkeiten: Passende Verständnisanker sind wichtig, um in ein Thema gut einzuführen. Gute Aufgaben zeigen dir, welche Grundvorstellungen schon sicher ausgebildet sind. Im Unterricht helfen Darstellungswechsel und Visualisierungen beim Aufbau von Grundvorstellungen. Und auch Analogien und Unterschiede dürfen nicht zu kurz kommen. Interaktive Modelle und Spiele fördern die Kommunikation über mathematische Konzepte. Mehr dazu erfährst du in der Ausgabe 236 „Grundvorstellungen unterrichten“ von mathematik lehren, erschienen im Friedrich Verlag.
Im Podcast hörst du Tim Kantereit im Gespräch mit dem Experten für Grundvorstellungen, Rudolf vom Hofe, Professor für Didaktik der Mathematik an der Universität Bielefeld.
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00:00:00: Einfach unterrichten, der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrich-Verlag. Wir bringen
00:00:10: innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt.
00:00:13: Hallo und moin moin, mein Name ist Tim Kantreide und ich freue mich sehr, dass ihr heute wieder
00:00:20: dabei seid. In unserer heutigen Folge des Podcasts "Einfach unterrichten" dreht sich alles darum,
00:00:26: wie man auf Basis von Grundvorstellungen unterrichten kann. Und heute habe ich jemanden im Podcast,
00:00:31: der fast in jeder Facette der Mathematik-Didaktik in Deutschland seine Fußspuren hinterlassen hat.
00:00:37: Stellt euch jemanden vor, der von Kassel über Augsburg, Regensburg bis hin zu Bielefeld gereist
00:00:43: ist und dabei nicht nur Mathematik unterrichtet, sondern auch darüber nachdenkt, wie man sie
00:00:49: unterrichtet. Jemand, der sogar in Dänemark sein Wissen geteilt hat und dabei nicht müde wurde,
00:00:54: Generationen von Schülerinnen und Lehrkräften zu inspirieren. Und als ob das noch nicht genug
00:00:58: wäre, hat er nebenbei noch zeitgefunden Zeitschriften und Lehrbücher herauszugeben. Also freut euch
00:01:04: mit mir auf entspannendes Gespräch mit dem Mann, der nicht nur Mathematik lehrt, sondern auch darüber
00:01:09: schreibt, wie man sie am besten lehrt. Ein herzliches Willkommen, Rudolf vom Hofe. Hallo Tim. Hallo Rudi.
00:01:16: So, ich darf dich Rudi nennen, das ist schon mal schön, das freut mich. Genau, Rudi, du bist
00:01:22: ja das, was ich gesagt habe. Das stimmt ja wahrscheinlich alles. Ja, das stimmt so ungefähr,
00:01:27: ja. Genau. Und das auch noch wichtig ist, was wir noch nicht, was wir noch nicht erwähnt haben,
00:01:33: ist, dass du auch erster Vorsitzender der Gesellschaft für die Daktik der Mathematik bist. Ja, das war
00:01:38: eine schöne Zeit und ist aber jetzt zum Glück vorbei. Ach, das ist auch vorbei. Okay. Gut, du
00:01:46: hast in Mathematik Lehren publiziert und es gibt deine Publikation heute und in dieser Publikation
00:01:52: geht es auch um das Konzept der Verständnisanker. Rudi, kannst du uns kurz erläutern, was genau
00:02:00: man unter so einem Verständnisanker eigentlich versteht? Also das ist zunächst mal natürlich ein
00:02:06: Bild Verständnisanker. Es geht darum, wie man Verständnis herstellt und ich meine, was heißt
00:02:16: schon Verständnis? Verständnis eines neuen Griffs oder Verfahrens heißt, dass man es, dass man den
00:02:23: Begriff oder das Verfahren aus der Perspektive seines schon vorhandenen Wissens sehen kann.
00:02:28: Das Gegenteil davon ist isoliertes Wissen, was mehr oder weniger Unverständnis ist. Man kann
00:02:34: dann vielleicht irgendein Schema abspulen oder irgendwas aufsagen, aber man versteht es nicht
00:02:42: und das heißt Verständnisanker heißt irgendein anschauliches Bild oder ein anschauliches Verfahren
00:02:51: sich über zu überlegen und zu vermitteln, was den neuen Begriff verbindet mit den alten Wissensbeständen.
00:02:59: Beispiel. Also Beispiel dafür für mich, ja. Beispielsweise. Das ist so ein Zahlenschema,
00:03:07: zwei Strich 5 in der Mitte in Strich, zwei Zahlen, das ist erstmal eine komische Geschichte. Eine
00:03:12: Pizza ist was Vertrautes und die Pizzawelt ist ein guter Verständnisanker für eigentlich für die
00:03:19: ganze Bruchrechnung. Man kann die Additionen damit erklären, man kann eine Subtraktion sogar die
00:03:30: Multiplikation Division durch Aufteilen, zwei Drittel ein Pizza geteilt in drei Teile und zwei
00:03:37: nehme ich davon. Das ist schon mehr als ein Verständnisanker, sondern so eine ganze Grundvorstellungsvorlage.
00:03:44: Aber eben vermittelt es Verständnis und Anker soll eigentlich zeigen, dass es was einfach sein muss,
00:03:52: was sich vielleicht im Langzeitgedächtnis verankert, so dass es, dass man ständig darauf
00:04:01: zugreifen kann. Ein anderes Beispiel wäre bei negativen Zahlen, da klappt das mit der Pizzawelt
00:04:06: eben nicht mehr, da wäre der Pfeile auf der Zahlen gerade so ein Verständnis. Ja, okay. Wie
00:04:15: kannst du denn so einen Anker im Unterricht konkret einsetzen? Wie kann man den im Unterricht
00:04:19: einsetzen? Also es bietet sich an in Einführungsstunden oder Einführungsphasen sich zu überlegen, wie
00:04:27: man den neuen Begriff repräsentiert. Bei Brüchen beispielsweise wäre es eben nicht so gut, jetzt
00:04:38: das über relative Häufigkeiten oder über statistische Überlegung zu machen, sondern sowas
00:04:45: plagatives und vertrautes, wie Kuchen oder Pizzazoneben. Das wäre jetzt das bewusste, das
00:04:52: bewusste Verbinden des neuen Themas mit einem bestimmten Anker. Ein weiterer spannender Punkt
00:04:59: wären ja sicherlich auch Grundvorstellungen im Mathematikunterricht. Wie könnte man als
00:05:04: Lehrenda erkennen, auf welchem Stand diese Grundvorstellungen bei den Lehrenden ausgebaut
00:05:11: sind? Es gibt so eine diagnostische Brille vielleicht mal aussetzen. Wie kann ich das feststellen,
00:05:16: welchen Stand die Schüler*innen haben bezüglich der Grundvorstellung? Ja, das ist eine interessante
00:05:21: Frage und auch eine wichtige Frage, die sich dann anschließt, wenn man feststellt, dass
00:05:29: eine Schüler*innen oder ein Schüler irgendwas nicht kann. Dann fragt man, warum eigentlich
00:05:34: nicht? Welche ist da eine falsche Vorstellung oder eine fehlende Vorstellung oder sind da
00:05:41: irgendwelche Vorstellungen nicht vernünftig ausgebildet, die man braucht? Und da bietet
00:05:46: sich es tatsächlich an, mit der diagnostischen Brille darauf zu schauen. Und es gibt da eigentlich
00:05:54: auch ganz gute Möglichkeiten und Vorstellungen zu checken oder zu testen, indem man eben
00:06:03: Aufgaben gibt. Gibt es da spezielle Aufgamtypen? Man kann sich selbst überlegen, aber es gibt
00:06:08: auch welche in der Literatur, im ML zum Beispiel. Da haben wir auch zwei Hälfte über Diagnostik
00:06:17: in der letzten Zeit und Individualisierung und Diagnostik publiziert, wo solche Beispiele
00:06:23: drin sind. Ich möchte ein Beispiel erzählen. Hier bei uns aus der Hochschule, wir haben
00:06:28: hier ein didaktisches Labor, wo wir eine ganze Reihe von Kindern aus, von unseren Jugendämtern
00:06:35: zuordnen, haben, um mit den Mathe, die auf irgendeine Weise Schwierigkeit in Mathe haben,
00:06:42: häufig nennt man es Diskalkulier, aber es können auch einfache Rechenschwierigkeiten
00:06:49: sein. Und dann machen wir so einen Anfangscheck, um zu gucken, auf welchem Level die sind.
00:06:53: Und dann gibt es zum Beispiel eine Frage, die heißt, was ist 42 minus 39? Und 80 Prozent
00:07:06: der Gits im fünften Schuljahr, die sagen sofort 3. Und die anderen 20 Prozent, die sagen,
00:07:16: so 42 minus 39, das ist 41, 40, 39, 29. Und die fangen jetzt an, die 39 rückwärts abzuzählen
00:07:29: von den 42, kommen natürlich in Teufel und kriegen irgendwann Blödsinn raus. Das ist
00:07:36: aber ein ganz klares Signal, dass die so die Grundvorstellung des Ergänzens noch nicht
00:07:43: drauf haben als eine der wichtigen Basisvorstellungen der Subtraktion, die solche Aufgaben, die
00:07:50: eigentlich total einfach sind, fürchterlich kompliziert machen. Und gleichzeitig ist es
00:07:55: aber auch ein Hinweis, was man mit denen üben kann, mit dem Rechenrahmen oder mit irgendeinem
00:08:00: Anschausmaterial, indem man die 42 und 39 darstellt nebeneinander sieht und sieht, hey,
00:08:05: da fehlt ja nur noch 3. Ich kann das abziehen oder ich kann das ergänzen. Das kommt letzten
00:08:11: Endes auf selber aus. Das ist ein schönes Beispiel, wie wichtig es ist, so Grundvorstellungen
00:08:19: zu checken und wie klar die Ergebnislage dann ist und die Hinweise, was man jetzt mit dem
00:08:27: Kind jetzt üben muss. Genau. Was ja auch immer gut funktioniert, tatsächlich gerade auch
00:08:39: im Umgang mit Schüler*innen, die vielleicht ein paar Verständnis-Schwierigkeiten und
00:08:45: so weiter haben, sind ja immer die Darstellungswechsel beziehungsweise Visualisierung im Allgemeinen.
00:08:51: Also Visualisierung sind ja eigentlich so ein Schlüssel zum Verständnis. Rudi, was macht
00:08:56: denn so dieser Rechenstrich in diesem Kontext von Visualisierung eigentlich einzigartig?
00:09:01: Ja, da bin ich vielleicht nicht so der richtige Mensch, um das zu erklären. Das ist so eine
00:09:06: Grundschulgeschichte und für ein Rechenstrich kann ich es vielleicht, ja, das ist so, der
00:09:12: Rechenstrich ist so der Vorgänger vom Zahlenstrahl, so zu sagen. Ich habe es tatsächlich noch
00:09:19: nie gehört, deswegen war ich jetzt auch ganz interessiert, was ist das überhaupt eigentlich?
00:09:23: Ja, häufig gehört und wundere mich als auch immer, was die Grundlis damit meinen. Sie
00:09:31: meinen, man denkt noch nicht so richtig an den Zahlenstrahl, beim Rechenstrich muss man
00:09:39: zum Beispiel noch keine equidistanten Einheiten haben, sondern es geht, er zeigt die Richtung,
00:09:47: in die gerechnet wird und man kann die Zahlen da anordnen. Und unser Ziel jetzt, also ich
00:09:57: denke jetzt eher an ML und Mathe 5 bis 10 ist eher die Sekundarstufe und da läuft es
00:10:06: auf den Zahlenstrahl als Anschauungsmittel heraus und später auf die Zahlengrade. Und
00:10:12: das ist natürlich ein ungeheuer wichtiges Anschauungsmittel und schließlich geht es
00:10:20: dann weiter, dass man die zwei Zahlengraden aufeinander stellt im rechten Winkel und
00:10:27: dann hat man das Koordinatensystem. Also man baut sich so praktisch sein mathematischen
00:10:32: Anschauungsraum mit Koordinaten da drüber auf und das ist natürlich ein ganz wichtiges
00:10:40: Orientierungsmittel. Schon abklasse in der Grundschule fängt es an mit dem Rechenstrich
00:10:45: und dann, wenn wir zwei Rechenstriche aufeinander mit gittern, dann hat man so ein Gittersystem
00:10:53: und es endet oder es wird dann weitergeführt bis zur künastialen Röberstufe, zunächst
00:10:59: mal im Koordinatensystem und schließlich auch im 3D Koordinatenssystem. Also wenn ich sage,
00:11:11: der Rechenstrich ist so seit der Anfang von dem System der Orientierung mit Koordinaten.
00:11:19: Ansonsten ist ein Beispiel, Darstellungswechsel ist natürlich ungeheuer wichtig.
00:11:27: Genau, da wollte ich noch darauf hinauskommen. Kannst du noch mehr über diesen Wert des
00:11:33: Darstellungswechsels in der Mathematik oder Strichstrich Mathematik didaktik verraten?
00:11:38: Ja, ich verrate am besten das an zwei Beispiele. Das eine, das hat mir jetzt durchgängig schon
00:11:46: öfters, nämlich Brüche. Es gibt ja die Bruchbilder und die Bruchdarstellungen als Symbol. Das scheint
00:11:56: so ein einfacher Zusammenhang zu sein, aber sehr oft stellt man fest, dass Schülerinnen
00:12:04: und Schüler mit den Symbolen rechnen können, aber keine Ahnung haben, was für ein Bruchbild
00:12:12: eigentlich dazugehört oder was man sich darunter vorstellen kann. Also man kann natürlich
00:12:18: schematisch rechnen, ohne da Größenordnungen zu haben oder eine Vorstellung von den Anteilungen.
00:12:24: Umso wichtiger ist es zu übersetzen, zum Beispiel spielerisch kann man das sehr schön machen
00:12:31: zwischen Bruchbildern und Bruchsymbolen oder ein anderes Beispiel ist Funktionen. Da gibt's die
00:12:39: Grafen zum Beispiel, Therme, Tabellen, die gleiche Funktion oder als verbal kann es dargestellt
00:12:50: werden als verbale Situation. Die Tabelle ist ein sehr altes Darstellungsmittel von historisch
00:12:57: obwohl das erste von funktionalen Zusammenhängen und die Fähigkeit mit Funktionen zu arbeiten
00:13:08: zeigt sich letzten Endes doch in der Übersetzung zwischen diesen verschiedenen Darstellungs-Ebenen,
00:13:15: dass man weiß, Steigung auf dem Grafen sieht es so aus und man kann es darstellen mit dem
00:13:23: Steigungstreik. Im Therme wird das plötzlich dann zu dem Ende, genau das Gleiche bedeutet,
00:13:30: auf eben im allgebraschen Darstellungs-Ebene. Also insofern ist gerade Mathematik treiben hat
00:13:38: sehr viel mit Übersetzung zwischen verschiedenen Darstellungs-Ebenen zu tun. Genau. In der Sprachs- und
00:13:48: Siedelnunterricht ist das ja auch eine Form diesen Darstellungswechsel immer wieder reinzunehmen,
00:13:52: der wohl auch sehr lernwirksam ist. Genau. Ein weiteren Aspekt würde ich gerne noch
00:13:58: ansprechen oder vielmehr, den hast du mir eigentlich schon angesprochen in deiner Publikation und zwar
00:14:04: sind das Analogien und Unterschiede.
00:14:08: Könntest du uns erzählen, wie man Mathematikunterricht diese Analogien und Unterschiede nutzen kann, um bestimmte Konzepte besser zu vermitteln?
00:14:17: Also, das ist so eine Sache mit Analogien und Unterschiede.
00:14:21: Wenn ich das jetzt auf Grundvorstellungen beziehe, dann muss man bedenken, dass diese Grundvorstellungen sich immer auf bestimmte Begriffe beziehen
00:14:34: und auf eine gewisse Reichweite haben.
00:14:38: Zum Beispiel zusammenfassen als Grundvorstellungen der Addition.
00:14:46: Das reicht natürlich sehr weit.
00:14:48: Trennen als Grundvorstellungen der Subtraktion.
00:14:51: Wir haben eben schon gesehen, ergänzen gehört auch dazu.
00:14:54: Multiplikationen verfielfachen, denkt man da zunächst mal bei den natürlichen Sachen.
00:15:02: Es kommt mehr raus, als beide Faktoren sind.
00:15:06: Es sei denn, man multipliziert mit eins, was ziemlich langweilig ist.
00:15:10: Und da passiert häufig Folgendes, dass man ein neues Feld betritt nach den natürlichen Zahlen, die die Welt der Brüche.
00:15:20: Und diese alten Muster übergeneralisiert, indem man denkt an Multiplikation.
00:15:28: Das wird mehr.
00:15:31: Und dann kommen solche Aufgaben wie ich habe 1200 Euro und möchte zwei Drittel davon sparen.
00:15:39: Und dann ist das einer der häufigsten Fehler, die hier passieren, dass gerechnet wird zwei Drittel oder 1200 nicht mal zwei Drittel, was richtig wäre, sondern durch zwei Drittel.
00:15:56: Weil die Kids denken, naja, es muss ja weniger werden.
00:16:02: Also ich kann ja nicht mehr sparen, als ich habe, sondern weniger sparen.
00:16:06: Also was kann das für eine Rechnerzeit sein?
00:16:09: Es kann eigentlich nur minus.
00:16:11: Dann kann es nur Division sein.
00:16:12: Oder Subtraktion.
00:16:14: Subtraktion ist aber ein bisschen komisch hier zu subtrahieren, 1200 minus zwei Drittel.
00:16:19: Das ist ein bisschen merkwürdig.
00:16:21: Also wahrscheinlich ist es dann Division.
00:16:24: Und dann passiert häufig auch noch das.
00:16:27: Wenn man das ausrechnet, kriegt man natürlich mehr raus, als man hatte.
00:16:31: Und geschickte Schüler und Schüler, die verschieben dann das Komma um zwei Stellen.
00:16:41: Das hat man ja auch irgendwo gelernt.
00:16:43: Also man benutzt ein Verfahren, was jetzt nicht angemessen ist, aber was man eher irgendwo her kennt, um ein plausibles Ergebnis zu kriegen.
00:16:52: Das ist ein typischer Fall von Übergeneralisierung, wo eine Analogie jetzt übertragen wird, auf dem Feld, wo es nicht mehr passt.
00:17:01: Und da ist es eben wichtig, den Unterschied zu sehen.
00:17:06: Gerade wenn man jetzt von den natürlichen Zahlen zu den Brüchen geht.
00:17:12: Die natürlichen Zahlen haben eine ganz klare Zahldarstellung.
00:17:16: Nach der vier kommt die fünf, nach dann kommt die sechs.
00:17:19: Bei den Brüchen haben wir dauernd jetzt plötzlich Zwischenwerte überall.
00:17:24: Und praktisch die Zahlen sind dicht auf der Zahlen gerade angeordnet.
00:17:30: Oder das Beispiel, was ich gerade gesagt habe, Modifikation bei den natürlichen Zahlen vergrößert ist.
00:17:36: Bei den Brüchen kann es aber auch verkleinern, je nachdem, was wir einen Faktor haben.
00:17:41: Insofern ist das Arbeiten mit Anarchien und Unterschieden schon wichtig.
00:17:47: Und vor allen Dingen, dass man sich das auch thematisiert und sich klar macht, was ist denn jetzt eigentlich neu?
00:17:57: Und worauf muss ich achten, was ich bisher gemacht habe, was jetzt nicht mehr so gut funktioniert?
00:18:02: Würde ich als Lehrkraft jetzt zum Beispiel damit ganz gut fahren, wenn ich sage, liebe Schülerinnen,
00:18:08: wir haben jetzt ja verschiedene Beispiele gesehen, wie man dann bestimmte Aufgabe löst.
00:18:13: Ihr habt jetzt selber ein paar Aufgaben gelöst, arbeitet doch mal Gemeinsamkeiten und Unterschiede raus.
00:18:20: Was haben die Aufgaben jetzt gemeinsam gehabt?
00:18:23: Was war sozusagen der Kern? Wo gab es trotzdem noch Unterschiede? Würde das in diese Richtung abzielen?
00:18:29: Ja, das wäre eine ganz schön anspruchsvolle Aufgabe, selbst jetzt diese Unterschiede zu finden.
00:18:36: Also ich dachte jetzt gerade bei der Oberstufe zum Beispiel sehr bei dem Unterricht und dachte gerade spontan an die Einführung der Integrale,
00:18:47: wo man ja nachher dann auch so diese Standard-Stampfunktion von X hoch 2 und X hoch 3 hat.
00:18:53: Wo man dann einfach dann sieht, na ja, wenn ich das Integral von 0 bis irgendeine Grenze B habe,
00:18:58: dann ist halt einfach ein Drittel B hoch 3 der Wert dieses Integrals.
00:19:06: Und das kann man ja beliebig auch transferieren auf X hoch 4, X hoch 5 und so weiter.
00:19:11: Und ich dachte jetzt gerade an solche Muster.
00:19:13: Ja, na gut. In der Oberstufe würde ich sagen, kann man das sicher machen.
00:19:18: Ich war jetzt in Gedanken noch in Klasse 5/6, wo ich das jetzt mit meinen Studentinnen und Studenten hier mache.
00:19:29: Die überlegen sich, was passiert denn eigentlich von den natürlichen Zahlen zu brüchen.
00:19:33: Worauf müssen wir achten jetzt als Lehrkräfte?
00:19:37: Und auf Schüler und Schülerinnen-Ebene würde ich das eher so auf dem Level 5/6 versuchen durch Aufgaben
00:19:48: oder durch, na ja, so kleine Anlässe zu thematisieren.
00:19:53: Zum Beispiel, man hat eine Aufgabe, es wird die Aufgabe, die ich eben genannt habe
00:19:58: und da sagt einer, hey, das kann doch nicht sein.
00:20:02: Das Ergebnis wäre ja klein, wenn man multiplizieren wird, müsste es doch eigentlich größer werden.
00:20:07: Und dann kann man sagen, kann das eigentlich, kann ich denn eine Zahl mit einer anderen Zahl multiplizieren,
00:20:14: sodass die Hälfte rauskommt oder das ein Drittel oder so.
00:20:17: Und so kann man sehen, ja, bei den Brüchen geht das.
00:20:22: Wenn ich nur natürlich Zahlen habe, geht es nicht.
00:20:24: Das wäre so eine ähnliche Sache jetzt ein bisschen spielerischer und einfacher verpackt
00:20:29: und mehr aufs Detail bezogen, in diesem Falle auf die Munddelegation.
00:20:35: Aber, jetzt sagen wir mal, in der Oberstufe kann man das gut machen
00:20:40: und dann gibt es ja auch vieles, was falsch analogisiert werden kann
00:20:46: und wo man sich schon bewusst machen kann.
00:20:49: Also jetzt, wenn ich jetzt an Polynome denke,
00:20:53: Ableitung von Polynomen sollen jetzt kommen, exponential Funktionen.
00:20:58: Das wird häufig der Fehler gemacht, dass man die E-Funktion genauso ableitet wie die Polynome,
00:21:03: nämlich oben als wegstreicht und da vorne davor multipliziert.
00:21:07: Genau, das ist eine schlechte Analogie da.
00:21:10: Ja, warum? Irgendwie klappt das da nicht, warum eigentlich nicht?
00:21:15: Dass wir so was, so dass man schon merkt.
00:21:18: Ja, ein Regel, das ich einmal gelernt habe, das gilt jetzt nicht für alle anderen Dinge.
00:21:23: Oder oft in der Mittelstufe wird, in anderen Ländern, in Frankreich ist das noch extremer als bei uns,
00:21:33: weil die so die linearen Funktionen in den Vordergrund stellen,
00:21:36: dass man die Eigenschaften der linearen Funktionen auf alle anderen Funktionen überträgt
00:21:42: und die anderen Funktionen praktisch überhaupt nicht mehr als solche akzeptiert.
00:21:45: Schon ein paar Rappen, schon eine komische Spezie hier ist.
00:21:49: Alles ist gerade, es darf keinen Knick haben und so weiter.
00:21:52: Also insofern ist das schon wichtig, sich Analogien und Unterschiede klarzumachen
00:21:58: und herauszuarbeiten, je nach dem Alterslevel in verschiedenen Situationen.
00:22:04: Okay, zum Schluss würde mich noch interessieren,
00:22:06: wie du eigentlich Spiele und interaktive Modelle in den Mathematikunterricht einbindest.
00:22:11: Viele würden das ja vielleicht jetzt nicht unbedingt mit dem Mathematikunterricht verbinden.
00:22:17: Warum meinst du, sind solche Methoden gerade besonders für die Kommunikation über mathematische Konzepte besonders wertvoll?
00:22:25: Und hast du vielleicht noch ein Beispiel für uns?
00:22:27: Na ja, Spiele sind zunächst mal eine schöne Abwechslung und auch eine wertvolle Abwechslung, interaktive.
00:22:38: Ja und ich will es mal von der anderen Seite sehen und Kommunikation ist natürlich super wichtig.
00:22:45: Isoliertes Lernen ist eben problematisch und eine ganz wichtige Kompetenz ist, sich auszutauschen,
00:22:53: gemeinsam irgendeine Lösung zu finden, aber auch gemeinsam gegenseitig Fehler zu entdecken und so weiter.
00:23:00: Also kooperatives Lernen, Lernen in der Gruppe.
00:23:04: Gerade für jetzt das, was man jetzt nicht nur für die Schule, sondern fürs Leben lernt.
00:23:10: Was auch immer nachkommt, ob das eine Ausbildung ist oder ob das eine weiterführende Schule ist,
00:23:16: wird so die Kommunikation und Soziales Lernen doch sehr wichtig.
00:23:22: Und da gibt es eben viele spielerische Sachen, die das vermitteln können,
00:23:34: aber auch solche Sachen wie Blütenaufgaben oder so halbspielerische Sachen,
00:23:41: wo man so einen spielerischen Flow erleben kann.
00:23:45: Ich denke jetzt zum Beispiel Geometrie im Gelände.
00:23:48: Das muss jetzt nicht interaktiv gesteuert sein, sondern da kann es sinnvoller sein,
00:23:57: wenn man jetzt ein Förster-Dreieck und ein Bandmaß hat und ein Protokoll und aufschreibt
00:24:03: und da seine Messerlesachen macht.
00:24:05: Oder wenn man es digital haben möchte, Math-City-Map beispielsweise.
00:24:10: Das sind so mathematische Spaziergänge, wo die Aufgaben...
00:24:14: Davon habe ich tatsächlich schon gehört.
00:24:16: Das scheint ganz spannend zu sein.
00:24:18: Ich habe selber noch nicht ausprobiert.
00:24:19: Also was macht man damit mit Math-City-Map?
00:24:23: Was früher so ein Math-Spaziergang war, so wie mit acht Stationen,
00:24:31: wo man irgendwas machen sollte.
00:24:34: Diese Stationen sind jetzt auf einer Plattform und über Handy abrufbar.
00:24:41: Das sind auch die Aufgaben abrufbar mit Hilfekarten und Kontrolllösungen und so weiter.
00:24:49: Ich kann als Tipp sagen...
00:24:57: Man geht zu einer Station hin quasi und bearbeitet die Aufgabe
00:25:01: und kriegt dann über die App die Lösung gemacht.
00:25:04: Beziehungsweise kann dann damit das vergleichen.
00:25:06: Man ist außerhalb der Schule.
00:25:10: Man arbeitet im Freien mit realen Objekten.
00:25:14: Es hat mit Modellierung zu tun.
00:25:16: Es hat mit Technik zu tun.
00:25:18: Man kriegt sofort Feedback über, wie gesagt, das interaktive Medium.
00:25:25: Es gibt jede Menge solche Math-City-Trails in vielen Städten.
00:25:34: Also wenn man das eingibt im Internet, wird man sofort fündig.
00:25:38: Mein Kollege Ludwig in Frankfurt, die machen das und haben da sehr viel Material
00:25:46: und diese Plattform ist auch für jeden zugänglich.
00:25:50: Also jeder, der das möchte, kann sich selbst solche Maps ausdenken,
00:25:54: anlegen und dann mit seinen Schülerinnen und Schülern mal ausprobieren.
00:25:59: Das wäre so eine Sache, wo Kommunikation gefördert wird.
00:26:03: Wie fällen wir denn da die Kommunikation gefördert bei dieser Math-City-Maps?
00:26:08: Es ist ja eine Gruppengeschichte.
00:26:11: Ja, aber faktisch macht man es nicht alleine.
00:26:15: Sondern so genau wie das Geometrie im Gelände, das ist irgendwie langweilig.
00:26:21: Die Rollen werden verschieden verteilt, einer ist Protokolland, einer schreibt auf, einer misst.
00:26:27: Man hat ja dann auch Werkzeuge und so.
00:26:31: Also es ist eigentlich eine schöne Möglichkeit zu kommen.
00:26:37: Aber das gilt natürlich auch für alle möglichen anderen Lernformate.
00:26:43: Man hat die kooperatives Lernen in Gruppen ermöglichen,
00:26:47: wie das Arbeiten mit Blütenaufgaben an Lerntägen
00:26:50: oder das gemeinsame Bearbeiten von Problemen oder von offenen Aufgaben,
00:26:55: wo man dann sich gegenseitig die Lösungen der verschiedenen Aufgaben vorstellt.
00:27:01: Liebe Hörerinnen, jetzt kommen wir langsam zum Schluss.
00:27:04: Wir sind heute ein wenig in die Welt der Mathematik-Didaktik eingetaucht
00:27:08: und sind dank Rudolf vom Hofe mit reichlich neuen Einblicken und Inspirationen wieder aufgetaucht.
00:27:14: Sein Engagement, seine Leidenschaft und seine Weitsicht haben sicherlich auch dazu beigetragen,
00:27:20: einfach, dass die Mathematik für unzählige Lernende greifbar und verständlich wird.
00:27:24: Rudi, es war mir eine echte Freude, mit dir heute zu sprechen
00:27:28: und ich bin sicher, dass wir, also die Hörerinnen und ich, heute wirklich viel gelernt haben
00:27:34: und es schätze ich auch total, für alle, die aber jetzt sagen,
00:27:38: naja, ich möchte noch ein bisschen tiefer in die Materie eintauchen.
00:27:42: Da empfehle ich den Blick auf Rudolfs zahlreiche Publikation
00:27:45: und vor allem will ich auch seine Arbeit in Mathematik lehren.
00:27:49: Bis zum nächsten Mal, Leute. Bleib neugierig und begeistert von der Welt der Mathematik.
00:27:54: Macht's gut, ciao, ciao!
00:28:00: Das war "Einfach Unterrichten", der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrichverlag.
00:28:06: Wir bringen innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt.
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