Kunst: Kreativität ist angeboren - oder?
Shownotes
Ist Kunstunterricht nicht schon per se kreativ? Wie man Prozesse kreativen Arbeitens und Lernens im Kunstunterricht gezielt einplanen kann - das erläutert Stefan Wilsmann in diesem Gespräch. __
Hintergrundinformationen, Unterrichtsbeispiele und vielfältige Materialien dazu findest Du in der Ausgabe 469/70 "Kreativitätsförderung" erschienen im Friedrich-Verlag.
In diesem Podcast hörst Du Stefan Wilsmann (Lehrer an einer Gesamtschule, Fachleiter Kunst, Autor und Herausgeber der Ausgabe "Kreativitätsförderung").
Transkript anzeigen
00:00:00: Herzlich willkommen beim Podcast Friedrich plus Kunst vom Friedrich Verlag. In jeder Folge bringen
00:00:05: wir den neuesten Stand der Faktidaktik in fünf Thesen auf den Punkt, welche ich dann am Ende der
00:00:10: Folge natürlich noch mal zusammenfasse. Heute geht es um Kreativitätsfördernde Methoden.
00:00:15: Mein Name ist Christian und ich habe die Ehre mit den Menschen hinter den Unterrichtsideen des
00:00:19: Friedrich Verlags sprechen zu dürfen und heute ist mein Gast Stefan Bilsmann. Stefan ist Autor
00:00:24: des Buches "Individuelle Förderung im Kunstunterricht" und blickt dabei vor allem durch die Brille
00:00:29: eines Praktikers auf die Themen. Denn er selbst ist Lehrer an einer Gesamtschule für Kunst und
00:00:34: Sozialwissenschaften, außerdem Fachleiter für Kunst sowie Kernseminarleiter und ja logischerweise
00:00:40: Herausgeber beim Friedrich Verlag und hat gerade bei Kunst und Unterricht eine Ausgabe zum Thema
00:00:46: Kreativität fördern veröffentlicht. Wir sprechen also heute darüber, was es bei der Förderung des
00:00:51: kreativen Denkens und Schaffens im Kunstunterricht so zu beachten gilt. Stefan, schön dass du da bist,
00:00:57: was sollte der Hörer oder die Hörerinnen noch von dir wissen, was ich jetzt hier unterschlagen habe?
00:01:02: Ja, vielen Dank, dass ich heute hier sein darf und meine Thesen etwas entwickeln kann. Ja,
00:01:09: zu meiner Berufsbiografie ist eigentlich genug gesagt. Alles perfekt auf den Punkt gebracht,
00:01:14: denke ich mal. Es würde ja vor allem interessieren, warum du dich jetzt den Thema Kreativität
00:01:19: verschrieben hast. Ja, das ist eher so eine Art Bauchempfinden gewesen nach sehr vielen Jahren,
00:01:25: der Praxis trifft man immer wieder auf dieselben Aufgabentypen auf, auszumahlen,
00:01:31: Rino zur Rosse auf dem berühmten Farbkreis und mehr Schienen. Ist denn das wirklich
00:01:37: tatsächlich so kreativ, was da passiert im Kunstunterricht in der Breite? Und da dachte ich mir,
00:01:42: da sind auch einige Potenziale liegen gelassen worden. Man könnte doch irgendwie viel mehr die
00:01:47: Schülerinnen und Schüler in Aktion bringen, lebendig werden lassen, ihre eigenen Vorstellungen
00:01:53: entwickeln lassen. Ja, das war so ein bisschen die Motivation zu sagen, wie kriegen wir da mehr
00:01:58: Dynamik auch in das Geschehen? Jetzt ist mein Bild von Kunst immer so gewesen und das, was ich
00:02:03: auch von anderen gespiegelt bekommen habe. Kunst ist grundsätzlich kreativ und wenn man so was macht,
00:02:09: dann ist man ja schon kreativ tätig. Und irgendwie hatte ich das Bauchgefühl ja nicht so ganz. Also
00:02:16: wenn ich an meinen Kunstunterricht zurückdenke, dann war der nicht unbedingt Kreativitätsfördern,
00:02:20: sondern manchmal halt einfach nur bestimmte Aufgaben, die ich so machen musste. Daher die
00:02:24: Frage, warum glaubst du, ist es wichtig, dass man es explizit macht, dieses Thema Kreativität zu
00:02:30: fördern? Ja, du hast es gerade gut auf den Punkt gebracht so aus deiner Erfahrung heraus. Man hat
00:02:35: Aufgaben, die waren zu bewältigen. Manchmal liefen die über ein halbes Jahr, man sollte
00:02:40: irgendwie einen Koffer packen mit Bleistift ausgestalten oder andere Dinge, die doch eigentlich
00:02:47: sehr eng geschehen waren. Und sag ich mal, nach dem Zweiten Weltkrieg gab es so diese Idee. Man hat
00:02:54: so ganz kleine, formale Probleme. Also der Feuerfisch in der Nordsee, man darf sich fragen, was macht
00:03:01: der da überhaupt, der Feuerfisch? Und dann hat man den Farbkontrast angeschaut und dann waren die
00:03:05: Spielerinnen und Schüler über Wochen beschäftigt mit dem Kontrast Blau und Orange. Das waren so
00:03:13: diese Dinge. Aber ich glaube einfach, dass man dadurch auch so ein ganz kleines bisschen die
00:03:16: Aktivität und das Kindsein der Menschen beleidigt, weil die können ja eigentlich viel mehr, die
00:03:22: sind ja dynamisch. Das sind irgendwie tolle Kinder, die sprühen vor Energie und natürlich hat das
00:03:29: auch seine Qualitäten über lange Zeiten hinweg, einen Diener Dreiblatt auszufüllen. Das mag ja
00:03:35: auch entspannende Aspekte haben und so weiter. Aber ich glaube, dass Schule heute mehr leisten
00:03:40: sollte und dass die Spielerinnen und Schüler mehr an Probleme herangeführt werden sollten. Und ja,
00:03:46: man das nicht auch einfach so fließen lässt und automatisch gleichsetzt, Kunst gleich kreativitäts
00:03:52: fördernd. Also ich habe momentan die Erfahrung, das ist ja am Anfang gesagt sicher als Fernsehminaleiter
00:03:57: auch in andere Fächer hineinschaue. Ich sehe wunderbar kreativen Biologieunterricht, wo da
00:04:03: Membrane nachempfunden werden und mit Dioporkubeln, Zellen gebaut werden. Und ich sehe ganz häufig
00:04:09: immer noch die alten Modelle aus den 60er, 70er Jahren im Kunstunterricht. Und ich denke, da haben
00:04:15: wir eigentlich regelgericht Nachholbedarf und könnten unseren Unterricht nochmal neu überdenken.
00:04:20: Das ist ein gutes Stichwort. Was ist denn dann für dich kreativer Kunstunterricht oder wie unterscheidet
00:04:26: der sich von dem Ausmal-Kunstunterricht? Ja, beim Ausmal-Kunstunterricht gibt es eigentlich so eine
00:04:32: einzige Phase der Entscheidung oder der Konzeptbildung. Am Anfang hat der Schüler oder die Schülerinnen
00:04:38: dann die Möglichkeit, ja, eine Grundanlage, eine Erfindung des Bildes, sage ich mal, wie soll,
00:04:44: irgendwie der Koffer, wie soll das wie Not so was auf das Blatt. Und der Rest ist sozusagen eigentlich
00:04:49: ausführen. Und da sind keine wirklichen produktiven Entscheidungen mehr da. Da ist keine Herausforderung
00:04:56: mehr zu finden. Und ich denke mal, dass wir da die Herausforderungen verdichten können. Also das
00:05:03: hört sich jetzt so an, als wollte ich den Kunstunterricht schwerer machen oder problemorientiert. Das
00:05:08: soll ja sozusagen weiterhin auch eine Stunde sein, wo die Schülerinnen und Schüler sich auch mal
00:05:15: in einem anderen Modus befinden. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Zugleich merke
00:05:19: ich, dass in den Kindern auf mehr drin steckt und dass die irgendwie mehr als nur einmal in einem
00:05:24: halben Jahr eine Entscheidung, eine bildnerische Entscheidung treffen wollen, sondern sie wollen
00:05:28: viel entscheiden. Und sie können auch viel kollaborativ und zusammen entscheiden. Also das ist
00:05:34: ja auch sozusagen etwas, das noch zu wenig mitgedacht ist im Kunstunterricht, dass Lerne im
00:05:40: Verbund gemeinsame Lösungen entwickeln für bestimmte Probleme. Und wenn ein Unterricht so
00:05:47: angelegt ist, dann ist er mehr als ausmalen und hat aus meiner Sicht auch mehr Erfolg. Also kommt
00:05:53: besser an bei Schülerinnen und Schülern. Würdest du sagen, das ist auch das Hauptargument,
00:05:57: warum man das Thema Kreativität fördern sollte oder betonen sollte im Kunstunterricht,
00:06:04: weil es erfolgreicher ist, weil es spaßiger ist für die Schüler? Oder was ist der Grund,
00:06:07: warum soll ich mich jetzt damit beschäftigen als Lehrkräfte? Ja, also das ist ja eine ganz
00:06:12: spannende Frage, die du da aufkloppen lässt. Es geht ja nicht um Fun oder irgendwie sozusagen darum,
00:06:18: dass man den Kunstunterricht so ein bisschen an die Eventkultur heranrobt, dass das alles
00:06:22: mehr Spaß macht und abwechslungsreicher ist. Es geht ja so ein Stück weit um die personale
00:06:28: Identität. Also darum zum Beispiel, wie kann ein Mensch sich irgendwie in Szene setzen? Und das
00:06:33: gibt es in allen Fächern, in Chemie zum Beispiel, gibt es irgendwie Dinge, die vielleicht nicht
00:06:38: vorhersehbar sind, zu lösen, Probleme anzugehen, Komplexität zu bewältigen. Und das ist ja
00:06:45: sozusagen auch Spiegel unserer heutigen Welt. Wir müssen ja nicht nur den Feuerfisch in der Nordsee
00:06:50: oder ein einziges Problem, wie zum Beispiel den Farbkontrast lösen, sondern wir sind ja ganz
00:06:55: häufig dazu gezwungen, mehrere Dinge gleichzeitig sozusagen anzugehen und uns durch die Situation
00:07:00: durchzuwurschteln und daran nicht zu verzweifeln und nicht kaputtzugehen. Das hat die Corona-Zeit
00:07:06: ja auch gezeigt. Diejenigen, die da sehr pragmatisch unterwegs waren und Lösungsstrategien hatten,
00:07:11: haben das möglicherweise schadeloser überstanden als andere, die da sehr an ihren Gewohnheiten
00:07:16: gehangen haben oder in wench schlechteren Situationen waren. Und deswegen glaube ich, dass das sozusagen
00:07:22: das Gebot der Stunde ist, viel entscheidender, flexibler sein und nicht nur lustiger, spannender,
00:07:28: eventhafter, den unkonzentrisch zu gestalten, sondern tatsächlich zu gucken, wie kann sich die
00:07:35: die Person mit eigenen bilderischen Gestaltungen und eigenen Artikulationen sozusagen in Szene
00:07:42: setzen. Und das ist sozusagen auch dann ein kleiner Unterschied zu dem, wo man sagt, Kreativität ist
00:07:49: auch jetzt nicht nur mit Blick auf zum Beispiel die späteren Abnehmer. In der Wirtschaft wird
00:07:54: Kreativität gebraucht, also brauchen wir sozusagen das Training, sondern es geht ja auch darum,
00:07:57: so eine Art Resilienz zu schaffen, dass man zum Beispiel Schülerinnen und Schüler dazu ermutigt,
00:08:02: Dinge zum Ausflug zu bringen, die möglicherweise gar nicht konform sind oder gar nicht jetzt
00:08:09: gewünscht sind. Und auch dazu, finde ich, sollte so ein kritischer Kreativitätsverhältnender
00:08:14: Unterricht ermutigen. Also ich höre da ganz viele Schule des Lebens raus, was Unterricht auch sein
00:08:20: sollte. Oder habe ich das da reininterpretiert und würde sagen, ne, das meine ich gar nicht. Ja,
00:08:25: das ist ein sehr guter Ausdruck. Und du hast ja eben angesprochen, dass ich, dass ich ein Buch
00:08:36: geschrieben habe über individuelle Förderung. Ich habe auch einen schwerbehinderten Sohn und
00:08:40: die haben tatsächlich Lebenskunst als Fach in der Schule und die arbeiten ganz viel kreativ und
00:08:46: das Kreativität auch nicht gekoppelt an intelligente Exzellenz oder sowas, an Intelligenz,
00:08:53: sondern da ist, das ist verbunden mit alltäglichen Lebens- und Lösungsstrategien und mit einem
00:09:00: Stärken der jeweiligen Person. Insofern geht das auch schon wieder ein bisschen zusammen,
00:09:04: so wie das ältere Thema, individuelle Förderung und die Kreativität. Das vermute ich alles im
00:09:09: Tenor dieser 4K-Kompetenzen, die von oben auch irgendwie ermutigt werden sollen, aber letztendlich
00:09:15: auch was ganz Natürliches sind, meiner Meinung nach, dass man sich halt um diese Themen Kommunikation,
00:09:21: Kreativität, Kollaboration und Kritisches denken einfach kümmern muss, weil man das eh in der
00:09:26: Gesellschaft irgendwann später machen muss. Aber jetzt mal untergebrochen. Wie kann denn so was
00:09:31: aussehen? Wie kann ich denn eine Unterrichtsstunde kreativitätsfördernd planen? Mir wäre ganz
00:09:37: wichtig, dass man so ein bisschen wegkommt von diesen klassischen 3-Schritten. Also man
00:09:41: eröffnet eine Stunde in so einem kleinen Zeitslot aller 45 Minuten oder vielleicht ausgedehnt 90
00:09:47: Minuten und dann gibt es am Anfang eine kreative Entscheidung und dann wird irgendwie ausgeführt
00:09:52: oder man kann das auch auf eine ganze Reihe, Unterrichtsreihe beziehen, dass das dann wie eben
00:09:56: angesprochen auf ein ganzes halbes Jahr bezogen wird. Mir geht es darum zum Beispiel den Problemdruck
00:10:02: dahingehend zu erhöhen, dass man verbunden auch mit einer vermehrten Selbstständigkeit der Schülerinnen
00:10:08: und Schüler Aufgaben gibt, die viel selbstständiger zu lösen sind und die dann auch viel mehr zu
00:10:15: unterschiedlichen Lösungen führen. Das heißt auch, wenn ich zum Beispiel eine Aufgabe oder mehrere
00:10:21: Aufgaben aufgebe, dass nicht alles gleichzeitig gelöst wird. Das heißt es kann sein, dass
00:10:27: Schülerinnen A vielleicht erst in der Konzeptionsphase ist und sich irgendwie erzeichnerisch einem
00:10:33: Thema nähert, während ein anderer Schüler vielleicht an anderer Stelle steht und an der
00:10:40: Ausführung praktischer Art gerade. Das heißt, man hat einfach nicht mehr diese Gleichzeitigkeit,
00:10:46: diese Simultanität. Also alle machen immer alles gleichzeitig. Da steht der Lehrer vorne
00:10:50: und in Minute 3 sagt er so jetzt die Aufgabe, jetzt macht er das und in Minute 5 holen die
00:10:55: den Pelikan-Kasten aus. Sondern wenn man weiterer
00:10:59: Aufgaben stellt, die die Kreativität der Schülerinnen und Schüler fördert, dann
00:11:04: passieren die Sachen nicht mehr so simultan, sondern man hat viel Vertrauen in
00:11:08: die Schülerinnen und Schüler und in deren Agieren. Das ist, glaube ich, auch eine
00:11:12: ganz wichtige Vokabelvertrauen, dass man sagt, man denkt daran, dass die
00:11:18: Schülerinnen und Schüler, die wollen ein gutes Ergebnis haben, ein tolles Gestaltungsprodukt.
00:11:21: Und die sind dann auch stolz, wenn die tatsächlich so einstrieren. Und dann ist es
00:11:25: dann auch ihres und nicht das irgendwie eines eines Lehrers oder einer Lehrperson.
00:11:29: Und wenn man das dann hat, dieses Vertrauen und die Knacken und Knobeln an zum Beispiel
00:11:36: einem Gestaltungsproblem zum Thema Identität. Also, man hat eine bestimmte
00:11:42: Fokussierung und das geht dann überein, vielleicht mit Problemen aus der eigenen
00:11:46: Lebenswelt und dann müssen die gucken, ah, welches Material taugt und so. Das sind
00:11:50: ungleichzeitige Prozesse, die sich ein bisschen ablösen von diesem klassischen
00:11:53: Unterrichtsmuster. Anfang, Durchführung, Beginn, Auswertung, Sicherung, dann wird
00:11:59: das irgendwo hochgeladen in irgendeiner Digitalcloud und dann wird an irgendeiner
00:12:04: Stelle das Lernprozess in der Prüfung abgefragt. Dann müssen die Schülerinnen
00:12:09: und Schüler alle sagen, gelb als Lösung und dann hat man 15 Punkte und die eins.
00:12:14: Also, das ist so ein abweichendes Modell, was ich da favorisiere.
00:12:19: Da fällt mir das Schlagwort "problemzentriertes Unterrichten" ein. Meinst du das damit?
00:12:24: Genau. Also, Problemorientierung hört sich natürlich immer so ein bisschen
00:12:28: schwierig an. Man denkt ja immer, ach, da ist Flow im Kunstunterricht und nicht
00:12:33: das Problem. Und man fragt sich dann auch, ja, Probleme lösen Kunstwerke, Probleme.
00:12:40: Welches Problem löst die Mona Lisa? Aber wenn man die Problematik mal anders
00:12:45: denkt und sich überlegt, die Mona Lisa oder Leonardo da Vinci als Urheber sozusagen
00:12:50: selber Probleme gelöst hat mit dieser Art und Weise. Warum hat diese Frau keine
00:12:55: Konturen? Warum? Wie kommt das Lächeln zustande des Fumato bestimmte
00:13:00: Gestaltungsmittel? Dann sieht man, dass irgendwie alle Künstlerinnen und
00:13:03: Künstler aller Epochen Probleme gelöst haben. Gestalterische Probleme. Wie ist
00:13:09: der Fisch im Mosaik in der römischen Villa anzubringen? Also, das sind alles sozusagen
00:13:15: Probleme. Ja, und das ist dann vielleicht auch in Übereinstimmung mit vielen
00:13:20: anderen Fächern die Problemorientierung. Hast du dazu ein Beispiel aus deiner
00:13:25: eigenen Seminarleiter-Tätigkeiten? Irgendwas, was dir da besonders positiv
00:13:29: aufgefallen ist, was vielleicht jemand vorgestellt hat oder eine Idee, wie man
00:13:31: sowas umsetzen könnte. Ich würde es noch mehr in Richtung Praxis, Zugumsetzbarkeit
00:13:38: für die Höhren und Höhre bringen. Ja, also ich hatte ja eben schon angedeutet da so
00:13:44: ein mehrteiligen Prozess. Das Thema war Identität. Man versucht sozusagen den
00:13:51: Schülerinnen und Schülern Angebot zu machen, sich mit einer Sache auseinander
00:13:55: zu setzen. Wir hatten letztens zum Beispiel das Thema der Icarus Sturz von
00:14:00: Peter Bräugel, dem älteren. Und diese Geschichte des Sturzes, des Absturz ist
00:14:06: ja metaphorisch so dicht, dass sich im Grunde jeder und jedes heutzutage auch
00:14:11: damit identifizieren kann mit eigenem Erleben und wo dann bestimmte
00:14:14: Interpretationsmöglichkeiten auch abgerufen werden können, die dann sehr
00:14:18: divers ausfallen. Also es ist sehr unterschiedlich, was dann an Zugängen
00:14:22: stattfindet. Das muss durchaus gesteuert werden. Also man kann es absolut nicht
00:14:26: frei laufen lassen. Also es muss begleitet werden und mit Tipps, Hilfekarten, mit
00:14:32: individuellen Beratungssituationen verbunden werden, sondern längerfristiger
00:14:37: Prozess der Entwicklung eines kreativen Werkes. Da sind dann so diese
00:14:42: Ungleichzeitigkeiten zu zu verspüren, wenn man erst mal die Schülerinnen und
00:14:46: Schüler auf so eine selbstständige Spur gebracht hat und die dann ganz
00:14:51: selbstständig auch dann ihre eigenen Dinge lösen wollen. Das lappt dann auch
00:14:55: über die Unterrichtszeit hinaus. Normalerweise ist das so, in Min. 43 wird
00:15:00: dann der Pelikan-Kasten zugeklappt. Dieser anderen Art von Unterricht kann
00:15:04: es auch schon mal sein, dass sozusagen auch über die Zeit des Unterrichts
00:15:07: hinaus der Denkapparat im Schwung gehalten wird und man überlegt, wie mache
00:15:12: ich das denn? Und möglicherweise muss ich noch dafür was besorgen und dann
00:15:15: gucke ich mal im Keller bei Papa, ob da noch irgendwelche laden Zäune stehen
00:15:18: oder Drahtgestelle und so weiter und so fort und dann ist da so eine wirkliche
00:15:24: Dynamik, auch in dem Wollen irgendwie so ein Werk zu erstellen und eine
00:15:28: unglaubliche Kreativität auf allen Ebenen. Also nicht nur sozusagen die
00:15:32: Entwurfebene, sondern auch dann hinterher in der Fertigung. Welche Materialien
00:15:35: brauche ich? Wo kriege ich die her? Wie arrangiere ich die? Wo hole ich mir
00:15:39: möglicherweise Hilfe? Wo vertiefe ich mich möglicherweise auch noch mal in
00:15:42: Bräugel-Thikavus-Themen-Thematik, falls das nötig sein sollte? Und das geht
00:15:46: natürlich weg, so von auch klassischer Bildanalyse und diesen klassischen
00:15:51: Formaten, die wir kennen. Da kann ich mich noch ein Beispiel aus meinem
00:15:55: Kunstenerricht daran mal zu erinnern, was da ziemlich gut reinfällt bei mir.
00:15:57: Du kannst mir gleich sagen, inwiefern ich da recht habe, da sollten wir eine
00:16:01: Lampe entwerfen bauen. Das war quasi so die Aufgabe. Erstelle eine Lampe, die zu dir
00:16:07: passt. Dann war die Ursprungsidee von vielen, die zu töpfern und dann halt so
00:16:13: eine Öllampe draus zu machen mit einem Tochter drin und das haben einige
00:16:16: gemacht. Andere haben dann quasi wirklich nur eine Lampe gekauft und die
00:16:20: hingestellt. Das fand ich sehr, sehr cool die Idee und ich hatte damals meine
00:16:24: japanische Phase, ich war total angetan von diesen japanischen Paravents und hab
00:16:29: dann im Stile eines Paravents, was man so auf und zu schieben konnte, versucht
00:16:33: diese Lampe zu bauen. Ich sag bewusst versucht, weil die Mechanik nicht so
00:16:37: hundert Prozent, nicht funktioniert man zwar über ganz viel Heißkäbe und so
00:16:39: weiter, aber ich weiß noch, dass diese Denkprozesse weit und da ich hinausging.
00:16:46: Ich habe dann in den Pausen darüber nachgedacht, wie ich dann diese Mechanik
00:16:49: machen könnte und was dann funktionieren könnte, was ich dafür bräuchte.
00:16:51: Logischerweise, sonst würde ich es jetzt nicht erzählen, wenn es nicht hängen
00:16:53: geblieben wäre, hatte wirklich viel Spaß dabei und habe sehr viel auch handwerklich
00:16:57: gelernt. Ich habe das erste Mal eine Heißkläberpistole benutzen müssen, ohne
00:17:02: dass ich das vorhatte, das zu machen, sondern es war dann okay, das kann man so
00:17:05: und so machen. Für mich wäre das so ein Beispiel, was in diesem Stil reinpasst,
00:17:12: oder? Ja, das passt ja vorragend rein. Natürlich muss man immer ein bisschen
00:17:15: aufpassen, die Schülerinnen und Schüler sind am volle Tage, sie müssen Terrarien
00:17:21: bauen, sich vorbereiten auf Klausuren und Arbeiten und Tests. Also es soll ja auch
00:17:29: nicht so sein, dass der Kunstunterricht sozusagen so irgendwie in das Private
00:17:32: rüberlappt, dass dann alles noch voll ist mit Überlegung, wie ist das Scharnier
00:17:35: jetzt aufzubauen, aber wenn es tatsächlich so ein bisschen ausgreift in
00:17:41: den Alltag und Überlegung dazu animiert, wie kriege ich zum Beispiel jetzt so eine
00:17:47: schwere Platte, wo zum Beispiel Fliesen draufgefasst sind, in eine Haltung
00:17:52: hinein. Dann hat man ja zusätzlich zu diesen kreativen Dingen auch noch
00:17:57: handwerkliche Aspekte mit drin und ja, das ist schon eine Herausforderung. Das kann
00:18:04: manchmal sogar ganze Familien erfassen, wo dann die handwerkelnden Väter oder
00:18:08: Mütter dann auch noch Ideen beisteuern, so ein richtiger Schwung da drin ist,
00:18:13: dann auch tatsächlich dann sowas zu finalisieren und fertig zu haben.
00:18:18: Bevor ich dich gleich einlade, dieses kurz intensive Gespräch noch mal für dich
00:18:22: zusammenzufassen und quasi in einer Botschaft, die dir wichtig wäre, mitzugeben,
00:18:26: würde ich noch mal kurz die fünf Thesen in meinen Worten zusammenfassen oder die
00:18:31: fünf Punkte, die Säulen, die du in der Ausgabe beschrieben hast. Und zwar war
00:18:36: ein wichtiger Punkt, dass Kreativität, Kollaboration, kritisches Denken und
00:18:40: Kommunikation, die vier K-Kompetenzen für das 21. Jahrhundert sind und deswegen
00:18:45: ist eigentlich ganz normal es sich damit zu beschäftigen, weil es eh in unserer
00:18:50: weiteren Wirtschaft normal sein wird. Ich meine nicht nur Wirtschaft, sondern auch
00:18:54: das allgemeine Leben, dass wir halt immer nicht mal besprechen müssen, Probleme
00:18:58: lösen und denken. Zweitens bedeutet Kreativität im Zusammenhang mit
00:19:04: Kunstunterricht die deutliche Erhöhung von Entscheidungsmöglichkeiten und
00:19:08: selbstständigen Handeln der Schülerinnen und Schüler und nicht nur dieses
00:19:11: Abarbeiten einer bestimmten Aufgabe, du hattest es so schön mit dem Fisch im
00:19:15: Nordsee illustriert. Dann ist mir noch eingeblieben, dass Kreativitätsförderung
00:19:20: nicht so sehr auf die Bewältigung isolierter Gestaltungsprobleme abzielt,
00:19:25: also formaler Probleme, sondern eher kognitiv herausfordernd wirkt und da
00:19:33: mehr Kanal lernen ermutigt und in Richtung Komplexität auf jeden Fall
00:19:39: geht. Dann viertens, Kreativitätsförderung im Kunstunterricht ist kein
00:19:43: postmodernes Pingeltangeln zur besseren Bewältigung neuer externe Anforderungen
00:19:49: oder sowas, sondern zielt im Kontext von Kunstunterricht auf die Entwicklung und
00:19:54: Erhöhung einer persönlichen Ausdrucksfähigkeit, also das Menschen
00:19:59: bilden, nicht Menschenbild, sondern die Persönlichkeitsbildung ab. Und zum
00:20:04: guter Letzt, fünftens, Kreativitätsförderung ist auf jeden Fall
00:20:08: multimedial angelegt und dahingehend inklusiv beziehungsweise individuell
00:20:12: fördern, weil halt so viele multimediale Komponenten dabei sind.
00:20:16: Deswegen wir uns gut darauf ausruhen können es eh zu machen, weil wir dann
00:20:23: am meisten auch inklusiv tätig sind und die verschiedenen Kompetenzen der
00:20:27: Schüler fördern, die nicht immer gleich sind. Inwiefern würdest du dem
00:20:31: ganzen noch was ergänzen oder jetzt übergeben, wenn es nur eine Sache gäbe,
00:20:36: die die Hörer und Hörer aus diesem Podcast mitnehmen sollten, dann? Ja, also
00:20:41: das ist wundervoll zusammengefasst, was du da gesagt hast. Ich würde mir
00:20:47: wünschen, wenn zum Beispiel Kreativität in Schule allgemein, aber auch
00:20:50: Kunstunterricht im Speziellen nicht nur irgendwie bezogen ist auf Projektarbeit
00:20:55: einmal im Jahr, dann sind die mal halt kreativ oder auch dieses isoliert, das
00:21:00: man sagt, so da ist der eine Mensch, der kriegt den Blitz-Einschlag und hat
00:21:05: dann plötzlich diese Idee, sondern das ist kollaborativ, das ist irgendwie
00:21:08: gemeinsinnorientiert, das ist mit vielen modernen
00:21:12: Unterrichtsmethoden verbunden. Mir wäre halt ganz wichtig zu sagen,
00:21:16: Kreativität ist nicht nur so eine Sahnhäubchen auf einem Kuchen, sondern
00:21:20: sozusagen der Teich selber. Also muss man nicht sagen, so am Schluss darfst du noch mal
00:21:24: so ein kleines lustiges Gimmick machen, sondern dass das irgendwie durchdrogen
00:21:29: ist von der Energie der einzelnen Schülerinnen und Schüler. Das ist ein
00:21:34: sehr kraftvolles Bild. Danke dafür. Stefan, danke, dass du da warst und wenn es
00:21:40: mehr gibt, was euch jetzt als Hörerinnen und Hörer hier interessiert, dann
00:21:44: natürlich gerne die Bücher oder das Buch von Stefan angucken oder weiteren
00:21:48: Online-Mediatheken sich zurechtfinden. Stefan, danke schön, dass du da warst.
00:21:53: Ja, sehr gerne. Dankeschön.
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