Deutsch: Erklärvideos - Konkurrenz oder Gewinn für den Deutschunterricht
Shownotes
Deine Schüler:innen haben Erklärvideos längst in ihren Schulalltag integriert. Mach auch du dich mit den Risiken und Chancen des Formats vertraut und vermittel die notwendigen Kompetenzen für einen gewinnbringenden Gebrauch. Die Ausgabe verrät, wie du Erklärvideos zielführend im Unterricht einsetzt, wie du die kritische Reflexion und Rezeption sowie Produktion von Erklärvideos schulst und wie du deine Schüler:innen für Vereinfachungen und Falschinformationen in Videos sensibilisierst. Mehr dazu erfährst du in der Ausgabe 304 von Praxis Deutsch https://www.friedrich-verlag.de/shop/erklaervideos-52304, erschienen im Friedrich Verlag.
Im Podcast hörst du Moderatorin Veronika Obermeier im Gespräch mit Prof. Sara Rezat und Prof. Helmuth Feilke (Deutsch-Didaktiker:innen und Herausgeber:innen).
Transkript anzeigen
00:00:00: Einfach unterrichten, der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrich-Verlag. Wir bringen
00:00:10: innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt.
00:00:13: Herzlich willkommen beim Podcast Einfachunterrichten vom Friedrich-Verlag. In jeder Folge bringen
00:00:21: wir den neuesten Stand der Deutschlandaktik in fünf Thesen auf den Punkt. Heute geht es um etwas,
00:00:26: das mir als Lehrerin, aber auch als Mutter von Schulkindern, häufig begegnet, Erklärvideos.
00:00:32: Mein Name ist Veronica Obermeier vom Institut für Digitales Lernen und ich spreche hier mit den
00:00:37: Menschen hinter den Unterrichtsideen des Friedrich-Verlags. Heute habe ich die beiden
00:00:42: Herausgeber der Ausgabe zu den Erklärvideos zu Gast. Sarah Rezart, Professorin für Germanistische
00:00:48: Sprachdetaktik an der Universität Paderborn und Helmut Falke, Professor für Germanistische
00:00:53: Linguistik und die Daktik der deutschen Sprache an der Justusliebig-Universität Gießen. Die beiden
00:00:59: haben auch die Ausgabe zu den Textprozeduren herausgegeben, die ich absolut empfehlen kann
00:01:04: als kleine Randnotiz. Herzlich willkommen Frau Rezart und Herr Falke. Hallo. Hallo. Nachdem ich
00:01:10: mir gestern erst für die Hausaufgaben meiner Kinder ein Mathe-Erklärvideo ansehen musste,
00:01:15: kann ich die erste These, über die wir heute sprechen, nur bestätigen. Sie lautet "Erklärvideos
00:01:21: boomen" und das Angebot tritt in Konkurrenz zum schulischen Deutschunterricht. Was können wir
00:01:28: da beobachten? Naja, es ist, Frau Obermeier, kein Zufall, dass Sie das Fach Mathe ansprechen. Es gibt
00:01:36: ja erste Untersuchungen zu diesem Boom, der vielen vielleicht zunächst rätselhaft erscheint. Es spielt
00:01:45: da unterschiedliches eine Rolle. Zunächst auch, dass Erklärvideos ja gar nicht vorwiegend im
00:01:52: schulischen Kontext rezipiert werden, sondern am Nachmittag, wenn die Schüler noch mal für sich
00:02:00: etwas klären wollen. Und es ist auch kein Zufall, dass Sie das Fach Mathematik ansprechen. Im Fach
00:02:06: Mathematik werden viermal so viele Erklärvideos rezipiert für das Fach Mathematik als für das
00:02:16: Fach Deutsch. Und der Hintergrund klärt sich etwas auf, wenn man nachschaut, wie das mit dem
00:02:23: Nachhilfeunterricht zusammenhängt. Der Bedarf für Nachhilfeunterricht ist in Fach Mathematik deutlich
00:02:31: höher als in Fach Deutsch. Und hier will man sich vielleicht noch mal Hilfe holen vor Klausuren
00:02:37: und Ähnlichem. Also das ist jedenfalls ein Aspekt, der den Erfolg begründet. Manche dieser Videos
00:02:44: sind ja sehr reißerisch. Ist das eine Konkurrenz für uns Lehrkräfte? Naja, ganz bestimmt ist das
00:02:51: eine Konkurrenz. Wenn man sich die Kommentare der Schüler anschaut unter vielen Erklärvideos,
00:02:58: dann findet man ja dort oft begeisterte Rückmeldungen. Ja, endlich habe ich es verstanden. Diejenigen,
00:03:06: die sich empirisch und gründlicher mit dieser Frage befassen, sagen auch oft, naja, das ist
00:03:11: eher eine Verstehensillusion, die man dort häufig findet. Vieles ist natürlich am Erfolg auch zu
00:03:22: erklären über die Präsentation der Figuren, die dort im Zentrum stehen. Es stehen ja oft bestimmte
00:03:29: Figuren im Zentrum und da gibt es eine eigentümliche Komplementarität. Zum einen haben wir den typischen
00:03:37: Oberlehrer, den guten Erklärer, also nehmen wir mal den Lehrer Schmidt beispielsweise, der da ja
00:03:44: bekannt ist. Ja, das alles genau auf dem Papier und dann wird das noch mal unterstrichen und so
00:03:49: ist das. Und dass viele Schüler stehen darauf, finden das klasse. Aber es ist natürlich ein
00:03:58: klassischer Lehrerzentrierter Unterricht. Es gibt keine Eigenaktivierung in diesem
00:04:04: Lernprozess, die wir uns doch auch für das Lernen wünschen. Und dann gibt es auf der anderen
00:04:08: Seite Figuren wie etwa Lisa Rufus, die also über eine halbe Million Klicks für den Konjunktiv
00:04:15: erreicht. Also welcher Lehrer könnte Schüler so binden an ein solches Thema. Aber das liegt
00:04:24: natürlich auch an einem bestimmten Habitus, einer bestimmten Rolle, in der sie sich auch gegen die
00:04:31: Schule, gegen die Fachlichkeit wendet. Also zum Beispiel in diesem Konjunktivvideo heißt es,
00:04:38: es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht, die schlechte zuerst. Es gibt zwei Konjunktivformen.
00:04:45: Also das ist natürlich ja sagen die Schüler, oh nein, ja und auch das ist ja so eine sympathische
00:04:51: junge Frau und die steht auf unserer Seite. Das ist durchaus auch problematisch, weil es ein
00:04:57: Randschmeißen auch an die Schüler ist, wo es doch eigentlich darum geht, Interesse für die
00:05:03: Gegenstände zu wecken und etwas zu begeistern. Diesem Zusammenhang ist es auch nochmal ganz
00:05:08: interessant zu schauen, wie eigentlich die Rezeptionsgewohnheiten der Jugendlichen oder
00:05:13: Schülerinnen sind. Es wird ja im Nachmittagsbereich recht häufig Tiktok geschaut und das sind Videos
00:05:19: mit einer Länge von nur zwei bis drei Minuten. Da muss man sich schon fragen, was bedeutet das
00:05:25: dann für die Rezeptionsgewohnheiten und auch für die Erwartung, die Schülerinnen und Schüler an
00:05:30: Erklärvideos haben, in denen dann schulische Lerngegenstände erklärt werden. Wir können ja fast
00:05:36: davon ausgehen, dass nach zwei bis drei Minuten dann auch niemand mehr zuhören wird. Das ist
00:05:41: sicherlich ein Problem. In dem Zusammenhang ist es vielleicht aber auch nochmal ganz interessant
00:05:46: zu schauen, welche Arten von Videos es überhaupt für den schulischen Bereich gibt. Wir haben im
00:05:52: Basisartikel versucht, nochmal so eine Übersicht zu geben und gezeigt, dass es nicht nur Erklärvideos
00:05:59: im klassischen Sinne gibt, sondern zum Beispiel auch Modellvideos, die in der Deutschdidaktik
00:06:05: insbesondere in schreibtdidaktischen Kontexten häufig verwendet werden. Sandra Reitbrecht hat
00:06:12: dazu ein Modell in dem Heft geschrieben. Es geht um das Überarbeiten von Texten beim
00:06:17: Materialgestützten schreiben und in Modellvideos wird gezeigt, das heißt modelliert, wie man
00:06:24: beim Schreiben von Materialgestützten Texten vorgeht. Es werden entsprechende Strategien gezeigt
00:06:31: und die Besonderheit dieser Modellvideos jetzt auch im Vergleich zu Erklärvideos liegt darin,
00:06:38: dass man im Modellvideo Dinge offenlegt, die man im normalen Erklärvideo gar nicht sehen würde.
00:06:44: Es wird gesagt, was denke ich eigentlich? Warum treffe ich bestimmte Entscheidungen, wenn ich ein
00:06:51: Text plane oder wenn ich Materialien lese und Informationen entnehme? Wir hatten jetzt gerade
00:06:57: schon diese Bandbreite mit TikTok und so weiter, wo überall konsumiert wird. Wir wissen ja gar nicht,
00:07:05: was die da so am Nachmittag konsumieren und deswegen auch die zweite These, Schüler*innen
00:07:11: müssen lernen, welche Kriterien bei der Auswahl und bei der Erstellung von Videos bedeutend sind.
00:07:16: Wie kann man das denn überhaupt im Deutschunterricht leisten und machen? Ja, zunächst ist es wichtig,
00:07:23: dass die Schülerinnen und Schüler ein entsprechendes inhaltliches Wissen zu einem bestimmten Thema
00:07:27: haben, damit sie überhaupt einschätzen können, was sie sich anschauen. Es gibt einige Studie und die
00:07:33: zeigen auch, welche Gestaltungselemente dann als förderlich für die Rezeption und für das
00:07:38: Verständnis gelten. So wissen wir zum Beispiel, dass die Videoperspektive aus der Sicht des
00:07:44: Handelnden sehr produktiv sein kann. Interessant fand ich auch, als ich die Studien gelesen habe,
00:07:50: dass Erklärenden, die älter sind als die Nutzer, eine höhere Expertise zugeschrieben wird und
00:07:56: der Erklärung dann entsprechend auch mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Bezogen auf die Zeitdauer,
00:08:02: zeigen Studien, dass kürzere Videos von maximal sechs Minuten effektiver für die Rezeption sind.
00:08:09: Vielleicht kann man mittlerweile sogar schon davon ausgehen, dass die Dauer noch geringer ist.
00:08:13: Das werden ja vorhin über TikTok gesprochen und das wird sich auch in irgendeiner Weise in den
00:08:19: nächsten Jahren auswirken. Auch inhaltliche Elemente spielen für die Qualität von Erklärvideos eine
00:08:26: Rolle, zum Beispiel die direkte Ansprache der Zielgruppe mit Handlungsaufforderung,
00:08:31: so dass die Rezipierenden stärker aktiviert werden. Ein weiterer Aspekt betrifft die Frage,
00:08:38: wie man eigentlich spricht. Also die Rolle der Sprechperformance. Dazu gibt es in der Ausgabe
00:08:45: ein schönes Modell von Christina Knott, die sich genau mit dieser Frage der Art der Gestaltung
00:08:52: des Sprechens beschäftigt. In dem Modell geht es darum, im ersten Schritt die Sprechperformance
00:08:58: in Erklärvideos einzuschätzen, um davon ausgehend eigenständig sprachliche Gestaltungen in einem
00:09:05: Erklärvideo zu erproben. Wichtig für die Qualität ist auch, dass Beispiel und Modelle
00:09:11: gezeigt werden. Auf diese Weise kann man sehr gut komplexe Zusammenhänge veranschaulichen.
00:09:17: Wichtige Aspekte können hervorgehoben werden, zum Beispiel durch Proms, die Adressaten bezogen
00:09:23: markiert werden oder auch Zusammenfassungen sind wichtig für das Verständnis. Ein weiterer Punkt
00:09:31: ist auch die Frage, wie wir eigentlich die Inhalte der Videos so ausweiten können,
00:09:36: dass wir diese in den Unterricht integrieren. Erklärvideos sollen ja nicht neben dem Unterricht
00:09:42: stehen und da sind Erklärvideos lernförderlich in den Anschlussfragen oder direkt Aufgaben in
00:09:49: die Videos integriert sind. Ja vielleicht kann man noch einen Punkt auch ansprechen. Wir haben
00:09:58: ja jetzt das Heft gemacht und bei allen Unterrichtsmodellen gibt es natürlich auch Hinweise
00:10:04: auf Erklärvideos und es geht immer um ein bestimmtes Thema, einen bestimmten Inhalt und wir haben
00:10:12: eigentlich immer, das finde ich sehr interessant im Rückblick auch auf die Arbeit mit den Modellen,
00:10:17: wir haben immer noch ein Infotext auch dazu zur Sache. Das heißt, wenn Schüler die Qualität,
00:10:26: die fachliche Qualität eines Videos auch zu beurteilen lernen sollen, wenn das ein Ziel des
00:10:32: Unterrichts ist, dann ist es hilfreich, Zusatzinformationen zur Verfügung zu stellen,
00:10:38: Texte, die dann auch abgeglichen werden können mit der Darstellung im Video, damit Schüler
00:10:44: möglicherweise auch auf Schwächen inhaltlicher Art in den Videos aufmerksam werden. Was man
00:10:49: dadurch ergänzen muss, ist dann aber, dass der Umgang mit dem Format wirklich anspruchsvoll ist. Man
00:10:55: ohne fachliches Wissen wird es ganz schwierig mit diesem Format umzugehen und das ist eben auch die
00:11:02: Leistung, die der Unterricht dann probieren muss. Frau Ritzert, was Sie gerade angesprochen haben,
00:11:07: das betrifft ja eigentlich alles, was wir im Deutschunterricht sonst auch so berühren. Also damit
00:11:14: auch die dritte These. Erklärvideos bieten ganz vielfältige Möglichkeiten, um die zentralen
00:11:19: Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts zu behandeln. Was kann man denn da in den Modellen
00:11:24: entdecken? Ja, vielleicht kann ich da etwas dazu sagen. Und Sie haben eigentlich den
00:11:31: wesentlichen Punkt schon angesprochen. Vielleicht wäre man zunächst geneigt zu sagen, na ja,
00:11:36: Erklärvideos, das ist etwas für mediendidaktische Spezialthemen, ganz bestimmt auch. Man sollte
00:11:44: sich mit Erklärvideos unter mediendidaktischer Perspektive befassen. Das geschieht auch in
00:11:50: den Unterrichtsmodellen, dass beispielsweise eben der Inszenierungsmodus angeschaut wird. Wie
00:12:00: machen das die Figuren, die dort erklären, dass man so etwas mal analysiert, etwa in dem Modell von
00:12:09: Frau Jeschke steht das im Vordergrund, aber zum Rechtschreib lernen. Aber
00:12:15: Aber auf der anderen Seite ist es eben auch ein Modell, wo es dann um kramatische Fragen geht bei Frau Jeschke,
00:12:24: also zum Dativ-Gebrauch und da sind wir dann, wenn man an die Kompetenzmodelle denkt,
00:12:34: eben bei den sogenannten domainenbezogenen Kompetenzen, Kramatik, Unterricht, Sprachreflexion.
00:12:41: Aber wir haben von Frau Riffel und Frau Scherer auch ein Unterrichtsmodell dabei zur Literatur, zur Romantik.
00:12:49: Und es geht um die Frage, wie kann eine Unterrichtseinheit zur Romantik beispielsweise vorbereitet werden durch die Rezeption eines Erklärvideos?
00:13:00: Wie kann dann in medienditaktischer Hinsicht gleichzeitig durch einen Vergleich verschiedener Videos
00:13:07: eben man aufmerksam werden auf die spezifischen Gestaltungsmerkmale unterschiedlicher Videos zum selben Thema, in diesem Fall wie gesagt Romantik.
00:13:17: Wir haben auch dabei natürlich das Schreiben, einmal in der Form des Rechtschreibens in dem Unterrichtsmodell von Frau Putwika und Anita Schilcher,
00:13:29: wo es um das sogenannte Silben-Schwingen geht, etwas, was sehr leicht darstellbar erscheint in einem Erklärvideo.
00:13:40: Die beiden machen aber auch darauf aufmerksam, welche Fallen darin stecken, wenn eben in so einem Erklärvideo zu sehr vereinfacht wird.
00:13:50: Bei einem Wort, ich habe es gerade gebraucht, Falle, da haben wir eine Doppelkonsonanz und es ist eigentlich kein Problem, man sagt Falle, da haben wir ein Silben-Schwingen und es funktioniert ganz hervorragend,
00:14:06: weil das L lang gesprochen wird und dann erstmal dieser kurze Laut gestoppt wird Falle, aber wenn wir haben Butter, dann würde jeder trennen Butter, das heißt, da funktioniert das Silben-Schwingen nicht,
00:14:24: das Erklärvideo tut aber so, als funktioniere es in allen diesen Fällen, da lernen die Schüler nicht nur etwas über Erklärvideos,
00:14:32: sondern sie lernen auch sehr viel eben über das Funktionieren der Rechtschreibung.
00:14:38: Ich muss ja zugeben, das hat mir sehr gut gefallen und mir hat das ja schon gereicht als Argument, das im Unterricht zu bringen,
00:14:47: um also ein bisschen Befriedigung auch daraus zu ziehen, dass die Schülerinnen und Schüler häufig denken so, ach, das Video kann es mir in drei Minuten erklären,
00:14:54: meine Lehrkraft braucht da mehrere Unterrichtsstunden und ich soll mich da bemühen und mitmachen.
00:14:59: Um zu sehen, dass es sinnvoll ist, sich Themen zu erarbeiten und dass man eben erst einschätzen kann, wie Frau Reetz hat zu Beginn ja schon gesagt,
00:15:11: wie gut ist ein Video eigentlich, kann ich erst einschätzen, wenn ich selbst fachlich drin bin in der Thematik und wenn ich das reißen kann.
00:15:20: Was ich ja sehr schön finde, ist, dass sie in der nächsten These im Basisartikel ja dann sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen,
00:15:27: also wir können mit den Erklärvideos nicht nur verschiedene Kompetenzbereiche des Deutschunterrichts behandeln,
00:15:33: sondern Erklärvideos können sogar selbstbestimmtes und vertiefstes Lernen unterstützen und uns das Potenzial zur Differenzierung auch noch bieten im Unterricht.
00:15:45: Können Sie mir erklären, wie ich da sogar noch weitergehen kann?
00:15:49: Ja, letztlich ist es ja so, dass das Erklärvideo Zeit und Orts unabhängig genutzt werden kann.
00:15:56: Wir haben die Lehrkraft in der Schule, haben wir den Deutschunterricht und es wird das Phänomen einmal erklärt und wer es mitbekommen hat an der Stelle,
00:16:05: hat es an der Stelle mitbekommen, aber die Erklärung wird in der Regel nicht noch mehrfach wiederholt.
00:16:10: Das ist ja bei dem Erklärvideo dann das Potenzial. Die Schülerinnen und Schüler können das Erklärvideo zu Hause ansehen und sich anhören.
00:16:19: Sie können anhalten, sie können neu starten, sie können sich es wiederholt ansehen.
00:16:23: Im Idealfall, das hatten wir vorhin gesagt, ist das Erklärvideo so gut, dass man noch Aktivierungsaufgaben hat,
00:16:29: vielleicht auch sein Wissen überprüft, an einer bestimmten Stelle im Video anhält.
00:16:33: Und dann wird gesagt, jetzt machen wir die Übung dazu und dann sieht man, wenn du das richtig gemacht hast, dann kannst du jetzt weiter hören.
00:16:41: Das heißt, das sind schon Potenziale, die der Unterricht dann nicht bieten kann und das ist sicherlich wirklich ein Potenzial für die Differenzierung in aller Richtung nach oben und nach unten.
00:16:56: Und dann hatten wir vorhin auch schon das Lernen am Modell genannt, dass man ja sehr gut umsetzen kann und da haben wir wirklich eine Möglichkeit,
00:17:05: auch verschiedene Lernende anzusprechen, ihnen Hintergrundwissen zu erklären, wie man an Dinge herangehen kann,
00:17:15: die so auch im Unterricht oft von Lehrkräften, das wissen wir aus anderen Studien, gar nicht so vollzogen werden.
00:17:22: Also das Modellieren vor der Klasse dauert erstmal ein bisschen länger, man muss sich hinstellen und sagen, was man tut.
00:17:28: In der Regel steht man ja auch mit dem Rücken zur Tafel, wenn man noch etwas anschreibt oder zu weit bord jetzt, wenn es nicht die Tafel ist.
00:17:36: Und das sind eben auch Potenziale, insbesondere dann von den Modellvideos.
00:17:42: Modellieren, zeigen, vormachen, wie etwas geht, ganz in Ruhe, sich das mehrfach anschauen.
00:17:48: Und sicherlich sind es auch die Option zur Darstellung von Ableifen und Prozessen, die man vielleicht in Echtzeit dann auch gar nicht so zeigen kann.
00:17:56: Man hat die Möglichkeit, auf der einen Seite etwas zu verschnellern.
00:18:00: Wir haben aber auch den Zeitraffer, wir haben Slow Motion und man kann die Dinge sich dann in Ruhe anschauen.
00:18:07: Zum Beispiel, wie funktioniert multimodale Kommunikation.
00:18:11: Wenn ich mir das mal in Ruhe anschaue, alles auch was mit Sprechperformance, und das kann ganz spannend sein, das mal in Ruhe zu analysieren.
00:18:19: Und dann ist man wieder im Bereich Sprechen und Zuwürfe, man lernt etwas über die Domäne.
00:18:23: Man kann auch weitergehen und dann eben sagen, ja wie kann ich eigentlich bestimmte Inhalte visualisieren, die uns sehr abstrakt erscheinen.
00:18:31: Und das ist dann im Erklärvideo auch sehr schön machbar.
00:18:35: Wir haben auch die Möglichkeit zu animieren, Dinge entstehen.
00:18:38: Wir haben nicht das Arbeitsblatt, auf dem eine Grafik ist, wo alle schon die ganze Komplexität auf einen Blick zu sehen ist, sondern die Komplexität kann aufgebaut werden.
00:18:47: Eigentlich die tiefste Form von Lernen, die wir damit anstreben, wenn Schülerinnen und Schüler selbst Erklärvideos zu vielleicht sogar komplexen Thematiken erstellen.
00:18:56: Ich erinnere mich an das Modell zum Gendern. Dann haben Sie eine Verständnis-Ebene erreicht, die wir ja auch oft als Lehrkräfte erkämpfen müssen, indem wir Dinge, die für uns komplex sind und zu denen wir viel wissen haben, diese Dinge möglichst einfach zu erklären, um es für Schülerinnen und Schüler zugänglich zu machen.
00:19:15: Genau, Lernen durch Lehren, ja, das ist etwas, was hier eben möglich wird.
00:19:22: Die eine Seite ist die Rezeption von Erklärvideos, haben wir sehr viel darüber gesprochen, aber eben auch die Produktion.
00:19:28: Das kommt in sehr vielen Unterrichtsmodellen in unserem Heft vor, wo eben gezeigt wird, wie können Schüler eigentlich selbst Erklärvideos herstellen? Was lernen Sie dabei auch zur Sache?
00:19:41: Ein ganz wichtiger Punkt beim Umgang mit Erklärvideos ist, dass meiner Sicht auch, was man erlernen kann, man lernt Erklären und zwar Multimodales Erklären.
00:19:49: Und das ist neben den bereits genannten Domänen bezogenen Kompetenzen, Prozess bezogenen Kompetenzen noch eine Besonderheit, die das Format auszeichnet.
00:19:59: Und die Art des Erklärens ist eben im Erklärvideo eine andere als in einem Text, den man schreit, weil man Multimodalen erklären muss.
00:20:07: Man hat die Kombination Bild, Text, Ton und diese Kombination aus Zeichensystemen kann ich nutzen, zum Erklären.
00:20:15: Silvia Risse zeigt in ihrem Unterrichtsmodell erstmal die Unterschiede beim rein textlichen Erklären im Vergleich zum Multimodalen Erklären
00:20:24: und stellt eben dann auch heraus, wie man die einzelnen Zeichensysteme gut miteinander verbinden kann.
00:20:31: Also das ist sicherlich der Punkt, wo man sagen kann, das ist das Besondere an den Erklärvideos, sonst könnten wir auch sagen, wir präsentieren einfach nur, wir machen eine schlichte Präsentation.
00:20:42: Und diese Erklärfähigkeiten, die man durch die Produktion von Erklärvideos erwirbt, die sind auch fächerübergreifend dann relevant.
00:20:50: Also die kann man immer wieder für andere Fächer auch nutzen, was Erkläre und mathematischer Zusammenlänge spielt, zum Beispiel auch eine zentrale Rolle.
00:20:57: Was du gerade ansprichst, Sarah, also dieses Modell von Silvia Risse, geht ja zur indirekten Rede, also Rede-Wiedergabe.
00:21:08: Und das ist ja etwas, was für das Fächerübergreifende Lernen auch ganz zentral ist.
00:21:13: Also das ist im Geschichtsunterricht oder im Religionsunterricht oder im Deutschunterricht eine ganz, ganz wichtige Fähigkeit, nicht nur paraphrasieren zu können,
00:21:22: sondern auch etwas, was woanders steht, zusammenfassend indirekt wiederzugeben.
00:21:28: Und das wird hier wunderbar deutlich, wie Erklärvideos dabei eingesetzt werden können.
00:21:35: Es macht Ihnen sicherlich auch riesig Spaß und mittlerweile hat ja jeder den Möglichkeiten.
00:21:40: Um jetzt die Euphorie mal ein bisschen zu dämpfen, komme ich zur fünften These.
00:21:45: Das Format hat aber auch Grenzen und ist kein Ersatz für Unterricht.
00:21:49: Ja, also zu der Frage, wo liegen die Grenzen von Erklärvideos?
00:21:55: Man kann vielleicht sagen, sie liegen einmal darin, dass Erklärvideos eben am Nachmittag rezipiert werden.
00:22:05: Das heißt eigentlich nicht in Kontexten sozialen Lernens, nicht in Kontexten, in denen wir voneinander und miteinander lernen,
00:22:13: was ja eine ganz wichtige Komponente ist, sondern es ist ein isoliertes Lernen.
00:22:17: Es ist auch ein Lernen, das wir eigentlich unter pädagogischen Gesichtspunkten so nicht wollen.
00:22:23: Von einer zentralen Stelle aus werden wir informiert zu einem Sachverhalt.
00:22:28: Es wird nicht problematisiert, wie wir zu unseren Erkenntnissen kommen, sondern es werden Weisheiten mitgeteilt.
00:22:35: Alles, die sind Gefahren.
00:22:37: Aber auf der anderen Seite eben liegen dann die Chancen auch dort, wo man sich direkt dagegen stellt durch alternative Formen des Umgangs mit Erklärvideos.
00:22:48: Es geht darum, die Erklärvideos ja auch als aktiv zu bearbeiten, das Element in den Unterricht einzubeziehen, als dieses aktive Element zu verstehen.
00:22:57: Das ist nicht nur ein Rezeptionsformat.
00:22:59: Und ich glaube, das ist aber schon die Sicht, die man auf dieses Format hat.
00:23:04: Man rezipiert hin und wieder, wird auch mal produziert, aber es muss so integriert werden in den Unterricht.
00:23:12: Gleichzeitig muss man aber auch sagen, das wäre ein Zitat von Dorgalle und Wolf in dem Basisartikel.
00:23:18: Ich zitiere mal, sie schreiben vielleicht vernichten, erklär Videos sogar die Bereitschaft und damit die Fähigkeit,
00:23:25: eine ganze Generation lange und komplexe Texte zu lesen.
00:23:29: Das darf natürlich nicht passieren, aber die Modelle in dem Heft zeigen,
00:23:33: dass diese Kompetenzen, dass der Umgang mit Texten eine ganz wichtige Voraussetzung ist,
00:23:38: um überhaupt mit dem Format Erklärvideo dann umgehen zu können.
00:23:43: Und das ist eine ganz wichtige Aufgabe des Deutschunterrichts.
00:23:46: Und ich glaube, wenn uns das gelingt, dass Schülerinnen und Schüler lernen, wie unterschiedlich diese Videos sein können,
00:23:52: aus welchen Videos man wirklich was ziehen kann und welche man eher einfach so konsumiert,
00:23:57: dann leistet mir einen ganz wichtigen Beitrag dazu, dass eben die Komplexität der Dinge auch gerne weiterhin erforscht wird,
00:24:04: auch von den zukünftigen Generationen.
00:24:06: Ich bedanke mich sehr für dieses anregende Gespräch und freue mich aufs nächste Mal.
00:24:12: Tschüss!
00:24:27: nicht für Lehrkräfte auf den Punkt.
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