Die Zukunft imaginieren

Shownotes

Was morgen sein wird, lässt sich heute immer weniger voraussehen – Zukunft entwickelt sich exponentiell, nicht mehr linear, und das bringt viel Ungewissheit mit sich. Doch wer aktuelle Zeichen zu deuten vermag, kann eine Reihe möglicher Zukünfte antizipieren und die bestmögliche mitgestalten. Der Podcast lotet aus, was das für die Lehrkräfte und die Zukunft des Lernens bedeutet.

Praxistipps:

  • Futures Thinking als Methode und Mindset lädt uns ein, zukünftige Szenarien zu imaginieren und die Ungewissheit als Katalysator für Innovation zu nutzen. Futures Literacy entwirft auf dieser Basis Konzepte für neues Lernen.
  • Schüler:innen sollen befähigt werden, unterschiedliche Zukünfte zu denken und somit ihre und unser aller Zukunft bestmöglich mitzugestalten. Darum muss Bildung kreative Lösungen und gesellschaftliche Verantwortung fördern und die Gestaltungskraft für morgen wecken.
  • Es müssen nicht mehr alle Menschen das Gleiche können. Der Austausch untereinander gewinnt an Bedeutung, um vielen Ideen Raum zu geben.
  • Indem sich die Art des Lehrens ändert, verändert sich die Rolle der Lehrkraft. Lehrer:innen müssen auf das Wissen eingehen, das Kinder mitbringen und Werte vermitteln, mit denen die Möglichkeiten zur Veränderung der Gesellschaft genutzt werden können.

Mehr dazu erfährst du in der Ausgabe 16 „Futures in Action“ von Lernen in der digitalen Welt, erschienen im Friedrich Verlag.


Im Podcast hörst du die Bildungsexpertin Kati Ahl im Gespräch mit Max Thinius (Bestsellerautor und Mitbegründer des Futurneo Institut für Zukunftsgestaltung).

Transkript anzeigen

00:00:00: Einfach unterrichten, der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrich-Verlag. Wir bringen

00:00:09: innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt.

00:00:13: Herzlich willkommen beim Podcast Einfach unterrichten, heute mit der Ausgabe Futures in Action von On16.

00:00:24: Bei mir ist Max Tinius. Max Tinius hat so viele unterschiedliche Hüte auf, nicht nur im echten Leben,

00:00:30: sondern auch im beruflichen Leben, dass ich die hier alle gar nicht aufzählen kann.

00:00:35: Ich gebe erst mal dir das Wort, Max. Wofür brennst du am meisten von allen deinen Tätigkeiten?

00:00:41: Ich bin ein ganz einfacher Futurologe und beschäftige mich lediglich damit,

00:00:45: wie die Zukunft aussehen kann oder wie wir sie jetzt gestalten können mit den Möglichkeiten,

00:00:51: die wir heute haben und wie wir einfach anders denken müssen, da wir die Industrialisierung

00:00:55: zunehmend verlassen und digitale Strukturen aufbauen, also in die Digitalität wechseln,

00:01:01: da ergeben sich viele neue Möglichkeiten. Ja, und das untersuche ich jetzt seit,

00:01:05: eigentlich seit 1988, seit ich Anita Roddick mal getroffen habe in London, die mir klargemacht hat,

00:01:12: dass du Zukunft von Menschen verändern kannst, wenn du ihnen erklärst, wie die Zukunft aussehen könnte.

00:01:17: Und das versuche ich bis heute zu beherzigen. Erklärt das schon die Frage, warum du dafür so brennst?

00:01:23: Ja, weil Anita hat mir damals auch einen ganz wichtigen Punkt beigebracht und sie sagte mir immer,

00:01:30: versuch bloß nie ein Konzept für die Zukunft zu machen oder versuch, an irgendetwas, was du

00:01:35: lernen kannst, zu glauben. Das Leben schenkt dir viel mehr Möglichkeiten als das, was du dir

00:01:40: vorstellen kannst oder was man dir beibringen will und deshalb habt eine gute Idee, Vertraue auf deine

00:01:47: Werte. Aber lass die Möglichkeiten auf dich zukommen, dann wirst du ganz, ganz viele von diesen

00:01:52: Möglichkeiten auch umsetzen können. Was ein Futurologe macht, das will ich dich nachher noch fragen.

00:01:57: Erstmal die wichtigen Sachen. Wir machen ja hier ein Podcast für Lehrkräfte und ich habe

00:02:03: eine Interview mit dir gehört, da sagst du, ich habe nichts gelernt, aber ich habe viele Erfahrungen

00:02:07: gemacht. Bist du der lebende Beweis, dass man mit einer ungewöhnlichen Biografie sehr erfolgreich

00:02:13: sein kann und ist das ein Konzept für die Zukunft? Mich hat letztens jemand so hoch dekoriert,

00:02:18: hoch studiert, angesprochen und gemeint, naja, aus deinem Leben ist ja auch nichts geworden und ich

00:02:23: sagte, naja, ich musste nicht zur Uni, ich bin ja schlau und dann war die Diskussion auch zu Ende.

00:02:28: Aber genau das ist es, also man kann, glaube ich, sehr, sehr viel aus dem Leben heraus lernen, wenn

00:02:34: man sich das auch traut. Ich habe ja selber, ich war selber zehn Jahre lang Dozent, habe an der

00:02:39: Uni gelehrt, hatte ein Lehrstuhl und mich hat immer irritiert, dass diese ganzen Diplomarbeiten

00:02:45: damals noch aus dem wesentlichen Zitaten bestanden. Und das ist etwas, was ich viel im Lernen auch

00:02:50: gemerkt habe, schon von der Grundschule an, dass Menschen sich immer damit beschäftigen zu

00:02:54: repetieren, was andere schon mal gedacht haben. Und ich fand es eigentlich immer viel spannender zu

00:02:59: denken, was noch keiner gedacht hat oder anders zu denken oder die Sachen einfach auf sich zukommen

00:03:05: zu lassen und dann zu sehen, was kann ich damit jetzt sinnvolles anfangen. Und das muss ich sagen,

00:03:11: hat mich dann hinterher sehr erfreut, weil ich hatte letztens ein Treffen mit allen Hochschulkanzler

00:03:16: innen aus ganz Deutschland und ich hatte ja immer so ein bisschen für mich selber das Digma,

00:03:21: ich habe ja nichts gelernt. Also irgendwie kommt man ja doch nicht drumherum, wenn einem die ganze

00:03:25: Welt sagt, musst doch was lernen. Und da meinten hier die, die, die ganzen Vorsitzenden und die

00:03:30: ganzen Hochschulkanzlerinnen, du machst eigentlich wahre Wissenschaft, weil du schaffst Wissen. Das,

00:03:36: was wir auf der Leben ist, tatsächlich Wissensrepetition. Und das ist dann eigentlich das,

00:03:41: wofür ich brenne. Und was mich dann auch antreibt und wo ich mich auch traue, andere Gedanken zu haben,

00:03:47: die müssen ja nicht alle anderen gut finden. Aber ich möchte zumindest Menschen die Möglichkeit

00:03:52: geben, die Welt anders zu betrachten und mehr aus den Möglichkeiten, die sich uns bieten,

00:03:58: herauszuholen, als das, was wir denken, dass die Möglichkeiten sind, weil wir uns diese Geschichten

00:04:04: nur jeden Tag immer wieder selber erzählen. Welt ist ja voller Narrativ, wie die wir uns

00:04:10: selbst immer wieder erzählen. Aber das ist trotzdem eine Frage, an der ich nochmal einhaken will,

00:04:14: weil mich das wirklich brennend interessiert. Du bist Autor und Speaker, ich bin auch Autorin und

00:04:20: ich frage mich immer, schaffe ich eigentlich neues Wissen oder vernetze ich nur das, was ich alles

00:04:25: gelesen habe, was ich alles gehört habe, auf neue Weise. Wie schafft man denn neues Wissen? Wo

00:04:30: schaffst du das? Naja, du schaffst ja nicht nur das, was du gelesen hast und das, was du wahrgenommen

00:04:37: hast, sondern wissen. Und das ist ja auch das, was echte Intelligenz übrigens ausmacht, denn

00:04:42: steht ja nicht nur durch den Kopf, sondern durch alles, alle Sinne, die wir haben, durch den

00:04:46: Tastzen, Geruchssinn, durch sehr viele Gefühle, auch auf möglicherweise Meta-Ebenen, die wir

00:04:52: vielleicht nicht kennen, aber wo wir im Unterbewusstsein über den Darm, über Nervenzellen, die

00:04:58: wir dort haben, sehr viel mehr wahrnehmen als das, was wir haben. Und wenn wir das alles zusammenpacken

00:05:04: und daraus dann Gedanken formen, entsteht durchaus etwas Neues, was ja auch immer in Bezug auf das

00:05:11: ist, was man gerade erlebt hat. Also das heißt, wenn wir beide mit ähnlichen Gedanken gut losziehen

00:05:17: und dann uns so eine Woche in unserem Leben bewegen, dann werden wir andere Erlebnisse haben,

00:05:21: sowohl du als auch ich, wir kommen also zu anderen Ergebnissen, zu anderen Schlussfolgerungen.

00:05:25: Und das ist tatsächlich etwas, was zunehmend in der jetzt kommenden Zeit immer mehr in den

00:05:33: Vordergrund rücken wird, weil wir in der Industrialisierung waren, wir darauf erpicht,

00:05:37: einen Status quo zu erzielen. Wir mussten auch einen Status quo haben, so dass wenn hier oben

00:05:42: einer mit BWL wissen rausfällt, der später irgendwann wieder eingesetzt werden kann,

00:05:46: weil dieses System einfach im großen Rund läuft. Und dieser Status quo war wichtig. Jetzt in der

00:05:53: Digitalität brauchen wir diesen Status quo nicht mehr, weil wir ganz viele holizentrale

00:05:59: Strukturen haben, die wir miteinander vernetzen können. Und das heißt, es gibt nicht nur entweder

00:06:04: oder, sondern es gibt sowohl als auch und alles, was dazwischen ist. Es gibt sogar Menschen,

00:06:10: die reden von einer Quantengesellschaft oder Quantenwirtschaft, weil das ähnlich wie in der

00:06:15: Quantenphysik ist. Es gibt nicht nur den einen und anderen Zustand, sondern eben auch alle dazwischen.

00:06:20: Und das ist einfach wichtig zu verstehen, dass wir wissen, auf eine neue Art jetzt in die

00:06:26: Gesellschaft bringen können. Ich hatte mich schon gefragt, wenn wir über Zukunft sprechen,

00:06:30: ob wir dann auch auf KI zu sprechen kommen. Es gibt ja viele, die sagen, es gibt ja viele,

00:06:37: die sagen, jetzt wird das wichtiger, was uns als Menschen auszeichnet. Und das, was du eben beschrieben

00:06:44: hast, also nicht nur die intellektuelle Intelligenz, sondern vielleicht sowas wie eine Körperintelligenz

00:06:49: oder somatische Marker, das Bauchgehirn. Wie machst du das? Wie kriegst du dann Zugang? Wie zappst

00:06:58: du diese Intelligenz an? Diese ganz verschiedenen Intelligenzen meinst du jetzt oder die künstliche.

00:07:03: Die ganz verschiedenen Intelligenzen, du, ich höre halt einfach auf mich und schau einfach immer

00:07:09: auf das Problem, was ich gerade habe und dann überlege ich mir, was bietet mir das Leben an

00:07:15: Möglichkeiten? Wovon kann ich gerade lernen? Was sind vielleicht Sachen, die ich auch in der

00:07:19: Vergangenheit schon mal wahrgenommen habe? Wo kann ich dann mich mit Systemen beschäftigen,

00:07:24: die es vor anders gibt? Ich habe aus ganz vielen verschiedenen Branchen. Ich bin ja auch als

00:07:27: Generalist unterwegs und das ist auch in der Industrialisierung erselten. Da geht es ja

00:07:32: immer darum, möglichst spezialisiert zu sein und ich weiß halt von sehr, sehr vielen Themen eine

00:07:37: ganze Menge. Wenn es in die Tiefe geht, dann verlasse ich mich auf die Fachleute. Da gibt es aber auch

00:07:41: genug von. Aber diese ganzen Möglichkeiten, wie hängt Politik und Bildung mit Mobilität,

00:07:48: Gesundheit und Leben in verschiedenen Altersstrukturen zusammen? Diese Fragen zu beantworten macht

00:07:55: mir Spaß. Dazu beobachte ich natürlich wahnsinnig viel, wie das vielleicht auch sonst ja Künstler

00:08:02: machen, die als Kabarettisten auf die Bühne gehen. Die beobachten auch sehr viel und du nimmst

00:08:07: sehr viel Feinheiten. Du redest auch mit anderen Menschen. Ich liebe es mit Menschen zu reden.

00:08:11: Egal wer das muss kein Hochgelehrter sein, das kann jeder Mensch von der Straße sein, kann aber

00:08:16: auch Hochgelehrt, kann berühmt sein oder auch nicht vollkommen wurscht. Ich liebe diese

00:08:20: Auseinandersetzung mit Menschen, weil du jedes mal etwas lernst und das, was du damit nimmst,

00:08:25: das ist das, was du dann auch der Welt zurückgeben kannst. Wie gesagt, wir sind nicht mehr in der

00:08:31: Industrialisierung. Wir müssen nicht alle das Gleiche zurückgeben. Wir können zunehmend etwas

00:08:36: Individuelles zurückgeben und dann schauen, wer davon hat Lust, etwas zu machen und das ist oder

00:08:42: das mitzumachen. Und da gehe ich auf diese ganzen Intelligenzen, die sich da bilden zu und die

00:08:49: künstliche Intelligenz ist halt eine weitere von ganz, ganz vielen, die man nutzen kann. Zumal sie in

00:08:56: ihrer Spezifik ja eigentlich eine zusammenfassende Struktur hat, weil sie nun mal alle Sprachen

00:09:00: spricht, auch DNA-Codes und Sensor-Codes und so weiter und all das ganze Wissen in der Sprache

00:09:07: ausgibt, die wir gerade brauchen. Und das gibt mir die Möglichkeit in speziellen Fällen eine

00:09:13: sehr situative Intelligenz zu haben. Das heißt wissen, was ich nur einmal kurz brauche, kann ich hier

00:09:18: abfragen. Das heißt also, ich muss verschiedene andere Sachen haben. Und das noch anfühgend,

00:09:24: ich konzentriere mich auf die Werte, die ich habe und die ich umsetzen möchte und schaue immer

00:09:30: welche intelligenten Möglichkeiten gibt es dafür, die mich unterstützen können, diese Werte,

00:09:36: die ich habe, möglichst umzusetzen. Das ist das, wie ich an die Weltern gehe. Du hast das

00:09:42: abfragbare Wissen erwähnt, blockartikel geschrieben, was gute Bildung so wertlos macht. Jetzt will

00:09:49: ich mal deinen Bauchgehirn befragen und ich weiß, dass du einen Sohn hast. Was wünschst du dir für

00:09:56: deinen Sohn? Oder was hast du dir schon gewünscht? Wie sollte ihn die Schule auf die Zukunft vorbereiten?

00:10:04: Was sollte er für eine Schule erleben? Oh, das schönste wäre Chaos. Chaos ist das Beste überhaupt,

00:10:10: weil da lernst du eigentlich, wie das Leben funktioniert. Ich glaube, dass Schule nicht dazu

00:10:14: da ist, dass man diese berühmte Mintfächer oder sowas irgendwie lernt. Ich glaube, das ist irgendwie,

00:10:19: ja, kann man machen, braucht man aber nicht wirklich. Ich glaube, dass man heute eher Menschen braucht,

00:10:24: die frei denken können, die künstlerisch mit den Problemen umgehen können,

00:10:29: die da auf sie zukommen. Je mehr Chaos in der Schule ist, desto mehr muss man sortieren,

00:10:33: muss man selber aktiv werden, desto mehr muss man da irgendwie etwas tun, was Menschen zusammenbringt,

00:10:40: was Themen zusammenbringt, was Meinungen schafft, wo man sich auch gegenwehren muss,

00:10:45: wo man auch für etwas eintreten muss. Das wünschte ich mir für ihn und er hatte das Glück,

00:10:51: dass er das alles erlebt hat. Er hat Chaos in der Schule erlebt. Da will ich

00:10:55: jetzt gerne als Mathelehrerin mich ein bisschen streiten mit ihr. Sehr gerne.

00:11:01: Ich habe Kinder erlebt, die einen unstrukturierten Unterricht hatten und dadurch zum Beispiel eine

00:11:06: Rechenschwäche produziert haben, weil der Aufbau in der Mathematik relativ logisch ist und wenn man

00:11:13: da als Lehrkraft nicht weiß, wo Kinder stolpern, dann ist das vorprogrammiert, dass nur die Hälfte

00:11:20: der Klasse ungefähr versteht, wie schriftliche Rechenverfahren gehen und so weiter. Die anderen

00:11:26: hängen sich dann irgendwo auf und koppeln sich dann oft in Mathe ab und sagen, kann ich nicht.

00:11:30: Spätestens ab der fünften Klasse sagt sowieso die halbe Klasse, Mathe ist nicht mein Fach. Jetzt du.

00:11:36: Ja, also ich meine, zunächst mal geht es natürlich um wertebasiertes Chaos. Das sollten wir schon

00:11:41: voraussetzen. Also das heißt, dass das Chaos einer bestimmten Wertstruktur folgt. Also nicht

00:11:45: einfach nur alles läuft durcheinander, sondern man hat schon etwas vor, man möchte Gesellschaft

00:11:50: positiv gestalten. Das hilft, glaube ich. Mit dem Thema Mathe, ich bin in Klasse 6 oder 7 bin ich

00:11:56: ausgestiegen. Danach habe ich, glaube ich, in Mathe einfach nichts mehr wahrgenommen und es war

00:12:00: auch einfach nicht mehr möglich für mich. Ich hatte andere Begabungen. Ja, das ist einfach so

00:12:06: und ich glaube auch, dass wir heute Kinder die Möglichkeit geben sollten aus bestimmten Fächern,

00:12:14: die einen aus Mathe, die anderen aus Kunst oder so weiter. Was weiß ich ab einem bestimmten Alter

00:12:18: auch auszusteigen, weil sie einfach andere Fähigkeiten haben. Wir müssen die nicht mehr alle

00:12:23: gleich schalten. Wir müssen natürlich dafür sorgen, dass bestimmte Grundfunktionen der Gesellschaft

00:12:28: erhalten werden kann. Insofern Grundrechenarten und so weiter versteht sich von selber. Das heißt,

00:12:32: wenn du das nicht kannst, dann ist einfach vorbei. Genauso wie die Sprache oder bestimmte Werte.

00:12:39: Allerdings, wenn du ein wertebasiertes Chaos hast, dann hast du hinterher immer noch die

00:12:44: Möglichkeit, dass bestimmte Menschen, mein Sohn zum Beispiel, ist in Mathe auch in der Klasse 6 oder

00:12:50: 7 ausgestiegen. Jetzt wird er Pilot. Muss die kompliziertesten, wirklich aller kompliziertesten

00:12:55: Berechnungen dieser Welt machen. Und jetzt hilft ihm das Chaos, was er in seiner Schule erlebt hat.

00:13:00: Er kann sich nämlich selber aus diesen ganzen chaotischen Dingern die Themen zusammensuchen und

00:13:05: erstellen. Das heißt, er musste gar nicht Mathe lernen. Seine Motivation war einfach,

00:13:10: die ihm im Mathe im Unterricht fehlte, das in einen Bezug zur Realität setzen zu dürfen.

00:13:15: Und das kann er jetzt. Und jetzt kann er es auch. Und dabei hilft ihm allerdings,

00:13:21: dieses aus dem Chaos heraus, selber eine Struktur finden zu müssen. Das merke ich immer wieder,

00:13:28: dass das für ihn eigentlich das Entscheidende war. Das ist so, das ist mehr als lernen,

00:13:34: wie man lernt, sondern das ist einfach Probleme bewältigen, die man im Leben hat. Und das ist,

00:13:40: glaube ich, ein ganz, ganz wichtiger Faktor, den die Schule bieten sollte. Also wertebasiert. Das

00:13:46: heißt also ein wertebasiertes demokratisches Verständnis für Miteinander, Mitgefühl, Empathie,

00:13:52: Respekt, gleichzeitig auch Neugier, sehr, sehr viel Folgenbewusstsein. Das heißt, wenn du etwas

00:14:00: tust, dass du die auch darüber klaren bist, dass das Folgen hat, dass du ein normativ ethisches

00:14:06: Verständnis für dich selber entwickelst, weil du nicht mehr davon ausgehen kannst, dass das alles

00:14:12: von außen, von großen Strukturen kommt. Und dann natürlich eine hohe Neugier auf Neues und das aber

00:14:22: auch analytisch zu beurteilen und zu überlegen, wie kann ich das in meinen Alltag integrieren?

00:14:26: Ich glaube, das wäre das, was ich mir von Schule heute wünschen würde.

00:14:29: Es fällt mir sehr schwer jetzt da nicht in die Diskussion zu gehen. Ich habe mitgenommen,

00:14:36: dass die Fähigkeit, selbst Konzepte zu entwickeln, Denkkonzepte, Vorstellungen, dass das für dich

00:14:44: fundamental ist. Und da würde ich absolut zustimmen. Ich komme nochmal auf die Ausgabe Futures in

00:14:51: Action zurück. Futures, ich bin als erstes über den Titel gestolpert. Gibt es mehrere Zukunfte?

00:14:56: Jede hat so seine eigene. Also wir leben ja nicht alle in derselben Welt bzw. ja, wenn man Welt

00:15:03: jetzt als das physische Gebilde bezeichnet, ja. Allerdings, wenn wir die soziale Struktur nehmen,

00:15:09: die gesellschaftlichen Ebenen, dann haben wir sicherlich alle andere Möglichkeiten,

00:15:13: Zukunft zu gestalten und auch zu erleben. Und wie vorhin schon gezeigt, wo wir nicht mehr das

00:15:19: entweder oder haben, müssen wir viel, viel mehr auch darauf achten, dass diese verschiedenen

00:15:24: Dinge auch nebeneinander passieren können und dass die wahrscheinlich auch in verschiedenen

00:15:28: Bereichen auch richtig sind. Die Sicht auf die Welt kann in jedem Ort eine andere sein.

00:15:32: Ein sehr konstruktivistischer Gedanke, dass jeder Mensch seine eigene

00:15:36: Wirklichkeit konstruiert. Was konstruierst du denn als Futurologe?

00:15:40: Na ja, Bilder, Geschichten, die Menschen helfen, eine Sensibilität dafür zu bekommen,

00:15:46: die Umstände, in denen sie selber leben, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten,

00:15:53: weil viele stecken halt in diesen Geschichten fest, die sich über die Industrialisierung erzählen,

00:15:59: wie das in Diskussionen sollte man irgendwie, muss immer einer gewinnen oder wenn man gut ist,

00:16:05: kriegt man eine gute Not oder verdient man viel Geld oder so weiter, also den Menschen halt auch

00:16:10: zu zeigen, dass es nicht nur auch große Produktionsmethoden Globalisierung in Asien gibt,

00:16:18: sondern dass wir eigentlich eher wieder in Produktionen, hier in lokale Produktionen gehen,

00:16:24: wodurch lokale Wertschöpfungen wieder steigen können. Dadurch steigt auch lokales Wissen,

00:16:29: was allerdings wiederum unterschiedlich ist von Region zu Region, so wie wir früher auch in

00:16:34: Deutschland Region hatten, die waren halt gut mit Textil, andere waren gut mit Stahl und so weiter

00:16:39: und solche Regionen bilden sich wieder stärker heraus. Das heißt, es kommt wieder mehr Diversität

00:16:44: auch in diesen regionalen Strukturen dahin, da kommen wir wieder zum Thema Zukunft auch. Das heißt,

00:16:50: wenn einer sich mit einem bestimmten Bereich mehr beschäftigt, dann kann er da natürlich viel

00:16:55: mehr gestalten als andere in anderen Bereichen. Und was wir auch immer wieder erleben, ist, dass

00:17:00: gerade kleine und mittlere Regionen sehr viel stärker wachsen werden und das müssen Menschen auch

00:17:04: verstehen, auch warum das so sein kann, um sich darauf einlassen zu können, denn keiner springt

00:17:11: gerne ins kalte Wasser, wenn er nicht weiß, ob das überhaupt irgendwie ein, ob man da irgendwann

00:17:16: wieder drin stehen kann. Und ich vermittel also, ja, wir springen jetzt, aber ich zeig dir, wo du

00:17:22: stehen kannst, so ein bisschen. Das ist vielleicht das, was ich als Voterologe tue. Das ist eine sehr

00:17:27: schöne Aufgabe für Lehrkräfte. Du malst Bilder der Zukunft, die Sicherheit vermitteln können,

00:17:35: die vielleicht Lust und Hoffnung machen und das hätte ich jetzt gerne von dir für Lehrkräfte.

00:17:41: Lehrkräfte sind gerade enorm unter Druck, fühlen sich sehr belastet durch die steigenden Anforderungen,

00:17:46: durch den Lehrkräftemangel, den sie teilweise mitausgleichen müssen an der eigenen Schule.

00:17:51: Kannst du uns ein positives Bild für Lehrkräfte, für die Zukunft der Lehrkräfte zeichnen?

00:17:57: Was wir auf jeden Fall heute schon merken, ist, dass die Art, wie wir Lehren sich erändert, das

00:18:03: wird ja auch heute schon, es gibt mehr um Mentorschipp, das heißt also, wir sind auch für die Kinder

00:18:07: anders da. Wissen kommt nicht mehr nur, der Lehrer muss nicht immer nur das Wissen haben und das

00:18:12: Wissen vermitteln, sondern auch viel mehr eingehen auf das Wissen, was die Kinder mitbringen. Ich glaube,

00:18:18: das ist auch noch etwas, was wir in Zukunft viel stärker erleben, dieses Ausprobieren, dieses

00:18:22: Miteinander machen. Den Lehrerkräftemangel, das ist nun natürlich ein Problem, das will die Lehrer

00:18:29: nichts können tatsächlich, das ist ein strukturelles Problem. Aber wenn wir wieder stärkere Regionen

00:18:35: bekommen, das heißt also, wenn wir nicht mehr nur als auf die Metropolen fixieren, sondern es in den

00:18:40: Regionen auch wieder mehr Wertschätzung gibt gegenüber dem, was dort leben ist, dann ist die

00:18:48: Wahrscheinlichkeit, wir merken, dass in vielen anderen Berufen schon, dass auch der Respekt vor

00:18:54: dem Beruf wieder ein anderer wird und ein höherer wird. Das heißt also, dass was wir heute in vielen

00:19:00: Berufen erleben, ist ein gewisser Entrespektisierung, könnte man fast sagen und es ist halt nur noch eine

00:19:08: Hilfskraft um irgendetwas zu tun, wie Briefträger oder so weiter. Da sind wir teilweise selber schuld,

00:19:13: weil wir in diesem System die Werte falsch setzen, also wir machen auch die falschen Problemstellungen.

00:19:19: Das heißt, wenn wir nur darauf achten, wie jemand möglichst schnell möglichst viele Pakete

00:19:23: zustellt oder wenn wir darauf achten, dass möglichst ein Lehrer möglichst viel Stoff oder den Stoff, den

00:19:29: er zu übermitteln hat, übermitteln muss. Und wenn wir von diesem Wertsystem abrücken und uns

00:19:35: wieder mehr darauf einlassen, dass wir das mehr variieren dürfen, dass wir da mehr Individualität

00:19:41: reinbringen dürfen, dann glaube ich, wird auch die Wertschätzung hier wieder steigen und dann werden

00:19:46: auch wieder mehr Menschen Interesse daran haben, Lehrer werden zu wollen, denn im Moment, wo du quasi

00:19:51: in ein System reingeschubst wirst, wo du wie ein Zusteller eigentlich nur noch so auf Zeit und

00:19:57: gegen irgendwelche Strukturen arbeitest, das ist auch nicht nett. Also das ist auch wirklich nicht

00:20:02: schön. Und wir haben ja nun in vielen Bereichen Arbeitskämpfe nun den Lehrer zu weiten Teilen

00:20:10: verbeamtet. Da ist jetzt nicht so viel mit Arbeitskampf. Aber wir merken, dass begleitenden

00:20:16: Berufen doch immer mehr Arbeitskämpfe auch kommen, die nicht mehr dieses klassische Muster haben für

00:20:22: weniger Arbeit, für mehr Geld, sondern wo es mehr darum geht, Strukturen zu hinterfragen und

00:20:29: Wertschätzung wieder reinzubringen. Und das ist eigentlich etwas, was sich hier auch insgesamt

00:20:34: positiv in der Gesellschaft auch auf die Lehrer übertragen wird. Denn am Ende des Tages sind

00:20:39: Lehrer ein sehr, sehr wichtiger Bereich, der eben all dieses Wissen, diese Möglichkeiten, die wir in

00:20:44: der Gesellschaft ja haben, den Menschen, den Kindern, mit denen sie umgeben sind, vermitteln

00:20:50: müssen. Und das können sie nur, wenn man sie auch eigentlich das machen lässt, was ich auch ein

00:20:56: bisschen tue, das heißt beobachten, wahrnehmen, was die machen und dann darauf auch reagieren. Ich

00:21:01: meine ganz ehrlich, die Kompetenz haben Lehrer in der Regel, wenn sie eine gute Ausbildung genossen

00:21:06: haben. Und dann dürfen sie aber nicht, weil sie etwas machen müssen, was man ihnen vorgibt. Das muss

00:21:11: frustrierend sein. Und ich glaube, das wird sich in der nächsten Zeit ändern, weil es sich in vielen

00:21:17: verschiedenen Berufen ändert. Und da werden Lehrer nicht die Letzten sein, die da mitmachen dürfen.

00:21:20: Mehr Respekt für Lehrkräfte und weniger alles selber wissen müssen, sich auch auf die Kinder

00:21:28: einlassen. Das sind sicherlich drei sehr hoffnungsspendende Perspektiven für Lehrkräfte. Ich kann

00:21:35: das nur unterstützen. Ich glaube, Respekt trifft einen Nerv für viele Lehrkräfte. Vielen Dank für

00:21:40: das ermutigende Bild von Zukunft, was du uns gemalt hast. Lieber Max, danke für das Interview.

00:21:44: Gerne, danke Kati.

00:21:46: Das war "Einfach Unterrichten", der Podcast von Friedrich Plus aus dem Friedrichverlag. Wir

00:21:56: bringen innovativen Unterricht für Lehrkräfte auf den Punkt.

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